Achtsamkeit

Warum vergeht die Zeit im Alter schneller?

„Unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht! Das kann doch nicht schon wieder ein Monat / ein Jahr ... her sein? Wann haben wir uns das letzte Mal gesehen? “ Egal wen ich in meinem Alter treffe, für alle scheint die Zeit schneller dahinzulaufen als früher. Früher, da hatten wir doch mehr Zeit, oder?

Das mit der Zeit ist eine wirklich komische Sache. So exakt man sie messen kann, so vielschichtig und unterschiedlich fühlt sie sich für jeden von uns an: oft erscheint sie zu kurz, mal vergeht sie überhaupt nicht, gelegentlich scheint sie stehen zu bleiben, aber meistens nicht dann, wenn es am Schönsten ist. Und weil auch das Zeitgefühl im Alter eine große Rolle für unser Wohlbefinden und unsere Zufriedenheit spielt, möchte ich dem Phänomen heute nachgehen: Warum vergeht die Zeit immer schneller, je älter man wird? Und wie machen wir mehr aus unserer Zeit?

Take away:

  • Der so genannte Erinnerungseffekt lässt die Zeit lang oder kurz erscheinen – unabhängig vom Alter

  • Wenn Du willst, dass dir die Zeit lang und wertvoll vorkommt, dann raus aus der Routine und immer wieder Neues suchen

  • Etwas machen, das mit Sinn erfüllt

 

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Die Zeit von 60 bis 90 ist genau so lang,
wie die von 30 bis 60 und die von der Geburt bis 30! 

Sind diese drei Abschnitte gleich lang für Dich? Welcher kommt dir am längsten vor?

Auch wenn es meistens heißt, für Kinder dauert die Zeit immer viel länger, mir kommt der Lebensabschnitt von 30 bis 60, also mein Berufs- und Familienleben am weitaus längsten vor. Gefühlt macht er mein Leben aus! Vielleicht, weil er so unglaublich reichhaltig war und damit in meiner Erinnerung einen mächtigen Stellenwert hat! Und trotzdem kommt ja noch ein weiterer ganzer Lebensabschnitt dazu!

Wenn man in Pension geht, hat man noch (etwa) ein Drittel des Lebens vor sich! Das ist eine simple Rechnung und trotzdem sind viele überrascht, wenn ich ihnen das vorrechne. Ja natürlich, wir wissen nicht, ob wir wirklich 90 Jahre oder älter werden und daher macht diese Unsicherheit diesen Lebensabschnitt unberechenbarer als die davor. Umso mehr macht es Sinn, jede Minute leben und nicht nur vergehen zu lassen.

Wirklich spannend finde ich, dass das Alter für mich durch diese Überlegungen zu neuer Bedeutung gekommen ist. (siehe auch Posts Alter ist ein Job, die 5 Säulen für ein vitales & glückliches Alter und Gewonnene Jahre). Und immer wieder taucht die Frage auf, wie erfülle ich diese vor mir liegende Zeit mit Sinn und Lebensfreude, damit sie am Ende auf besondere Weise genau so reichhaltig ist, wie die zwei Abschnitte davor?

WARUM DIE ZEIT ALS ERWACHSENER SO SCHNELL VERGEHT

Die gängige Meinung ist, dass wir die Zeit an unserem Lebensalter messen, dass also für einen 10-Jährigen, ein Jahr 1/10 seines Lebens ist, während es für mich bereits 1/67 ist, also relativ viel weniger. Das mag sein, wichtiger als der Zeitfaktor ist allerdings der Erinnerungseffekt, also was man alles in dieser Zeit erlebt hat und der ist abhängig davon, wie viel Routine, was und wie viel Neues man erlebt hat. Retrospektiv rekonstruieren wir also die Dauer von Zeitspannen auf Basis erinnerter Ereignisse in einem vergangenen Zeitabschnitt. Je mehr wir uns an unterschiedliche Ereignisse erinnern, desto länger schätzen wir den Zeitabschnitt.

Je mehr Routine, desto schneller vergeht in der Erinnerung die Zeit! Mit dem Alter steigt meist der Anteil an Routine ziemlich stark an, während wir immer weniger wirklich Neues erleben. Als Kind und Jugendlicher und auch noch im Beruf, ist man permanent mit Neuem konfrontiert, das man intensiv erlebt und das entscheidenden Einfluss auf unser Leben hatte. Zusätzlich ist aber auch wichtig, dass dieses Neue Bedeutung hat und möglichst Begeisterung auslöst. Natürlich erleben wir im Alter auch Neues, aber nicht immer gewollt und angenehm.

Es mag für andere nur eine Kleinigkeit sein, aber für mich war z.B. das erste Mal Rote Rüben ernten am Bauernhof mit 66 etwas ganz besonders Begeisterndes, weil es mich aus meinen kopflastigen Tätigkeiten herausgerissen hat!

Routine und weniger Neues sind also zwei Faktoren, die uns die Zeit im Rückblick schrumpfen lassen. Zwei weitere Faktoren sind Stress und Anspannung. Sie bewirken, dass uns Ereignisse weniger bewusst bleiben, weil wir sie weniger detailreicher und mit weniger Achtsamkeit erlebt. Und glaubt ja nicht, dass Pensionisten weniger Stress haben!

SO MACHST DU MEHR AUS DEINER ZEIT

Ob wir im Alter die Zeit kurz oder lang empfinden hat also mit Sinn, Bedeutung, Qualität und Ruhe zu tun. Und all das liegt in unserer eigenen Entscheidung!

Wenn wir das zusammenführen, dann scheinen für mich die folgenden 7 Punkte entscheidend dafür, wie ich meinem Leben so viel Qualität gebe, dass ich mich nicht nur im Jetzt, sondern auch in Zukunft rückblickend, darüber freuen kann:

  • Immer wieder aus der Routine ausbrechen und NEUES erleben

  • Begeisterung in diesem Neuen finden, denn „Begeisterung ist der Dünger für unser Gehirn“ (Gerald Hüther)

  • Dinge tun, die für einen Sinn machen. Nach Viktor Frankl ist es existentiell für uns Menschen Sinn zu finden, zu realisieren und zu erleben. Dieser Sinn kommt nicht von außen, sondern den können wir nur in uns finden - das geht in jedem Alter!

  • Keine Zeit im Alter verschwenden mit unwichtigen Dingen oder Dingen und Themen, die man nicht beeinflussen oder ändern kann. Übrigens eine der Empfehlungen aus einer Studie über glückliche Hundertjährige!

  • Achtsam das Jetzt erleben und seine vielen Details aufnehmen

  • Der Vergangenheit Bedeutung geben, etwa durch das Schreiben von Memoiren (siehe Memoiren - mehr als Erinnerung)

  • Sich auch aussöhnen mit jenen Zeiten, die vielleicht nicht so schön waren

Das sind meine Gedanken, die Zeit langsamer vergehen zu lassen. Aber ehrlich, es gibt auch Situationen, da sind wir froh, wenn die Zeit sehr schnell vergeht :)

Herzlichst
Helga

Zu diesem Thema gibt es ein gutes Video
Dr. Derek Muller/Veritasium
Why Life Seems to Speed Up as We Age – can we slow it down? https://www.youtube.com/watch?v=aIx2N-viNwY

 

Gute Haltung ist besser als Botox

 

Wer hätte das gedacht: GUTE KÖRPERHALTUNG ist eines der großen Geheimnisse, um länger und besser zu leben! Schlechte Haltung lässt uns schneller alt aussehen als faltige Haut und kann uns 15 Lebensjahre kosten![1]

Take Aways

  • Schlechte Haltung ist kein Kavaliersdelikt, sondert lässt uns alt aussehen

  • Persönliche Beratung durch einen Physiotherapeuten/-Therapeutin ist kein Luxus, auch wenn man noch keine Probleme hat

  • 5 Haltungs-Tipps

WIE SCHLAMPIGE HALTUNG ZUR NORMALITÄT WIRD

Vor ein paar Tagen habe ich Zwiebeln für das Abendessen geschnitten. Plötzlich tauchen Omas Worte in meinem Kopf auf: G´rad stehen, Helga!Ich kann förmlich den Ton ihrer strengen Stimme hören. Wie ich ihre Ermahnung damals gehasst habe. Aber ganz unwillkürlich beobachte ich meine Haltung: krummer Rücken (obwohl die Arbeitsplatte angenehm hoch ist), die Schultern hinaufgezogen, der Kopf nach vorne geschoben, null Spannung und trotzdem irgendwie verkrampft, schneide ich hastig diese Zwiebeln. Dabei hab ich gar keinen Stress. Was in aller Welt bringt mich zu so einer merkwürdigen Körperhaltung?

Ich gebe es nicht gerne zu, aber Omas Stimme in meinem Kopf war zurecht da. Ich richte mich also auf, lasse bewusst die Schultern hinuntersinken, nehme den Kopf hoch und schneide dann weiter, diesmal locker und zügig. Geht doch! Es fühlt sich definitiv entspannter an. Ich atme tief durch, auch wenn mir das ein paar Zwiebel-Tränen mehr einhandelt.

Diese Erkenntnis war der Auslöser!

In den letzten Tagen habe ich meine Haltung mehrmals bewusst  beobachtet und festgestellt, wie schlampig ich oft sitze, stehe oder gehe. Meistens bin ich dabei in Gedanken versunken oder konzentriert und merke es gar nicht, außer ich richte meine Aufmerksamkeit darauf.

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JETZT SAGE ICH IM STILLEN ZU MIR: „STEH GERADE, HELGA!“

Was mich jedes Mal wieder erstaunt ist, wie angenehm es wirkt, wenn ich meine Haltung ändere, speziell wenn ich mich aufrichte, das Steißbein nach vorne rolle und ganz besonders meine Schultern sinken lasse. Die Atmung wird tiefer und eine innere und äußere Entspannung stellt sich ein. Daher habe ich mir in letzter Zeit mehr und mehr angewöhnt mich selbst anzuspornen: „Steh oder sitz gerade, Helga!“

Ich bin sicher, Ihr kennt auch das: Wenn man einmal den Fokus auf eine Sache legt, sieht man sie überall. Wenn man sich z.B. etwa für ein bestimmtes neues Auto entscheidet, scheint die ganze Welt diese Marke zu fahren, was einem bis dahin gar nicht aufgefallen ist. So ähnlich ist es mir mit meiner Aufmerksamkeit auf Körperhaltung gegangen. Ich beobachte die Menschen um mich herum mit anderen Augen und gebe dem Ausdruck ihres Körpers und damit auch ihrer Person ein neues Gewicht. Und weil ich schlampige Haltung bei so vielen Gleichaltrigen sehe, habe ich das Thema in den Blog aufgenommen.

Einfach gesagt:
Lasst den Kopf nicht hängen!
Es kostet Euch Jahre Eurer Gesundheit!“

WOHER KOMMT DIESE SCHLECHTE HALTUNG?

Wieso verfalle ich in meinem vermeintlichen Normalzustand in diese belastende Haltung, wenn sich die andere - aufrechte - doch so viel besser anfühlt? Früher waren es wohl die körperlich schweren Arbeiten, die zu den verschiedenen Deformationen, etwa der Wirbelsäule, geführt haben. Meine Oma hat stark darunter gelitten, deshalb ihre mahnenden Worte. Heute kommen die Haltungsprobleme primär von unserem modernen Lebensstil: stundenlanges Sitzen vor dem Computer, arbeiten oder spielen mit dem Smartphone, aber auch langes herumlungern auf der Couch vor dem Fernseher. Im Grunde wissen wir das ja alles!



 
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Schlechte Haltung

Hängt mit den kleinen stabilisierenden Muskeln zusammen.

Foto by Stephen Lee

Um mehr zu erfahren frage ich meine Physiotherapeutin.

Es geht um die kleinen, stabilisierenden Muskeln! Die Couch-Potatoe-Haltung über viele Jahre hinweg, bewirkt, dass genau diese nicht aktiviert sind. Unsere Schultern sinken nach vorne, das verkürzt die Muskeln vorne und überstreckt die Muskeln hinten. Und ganz generell verlieren Muskeln, die nicht kontinuierlich trainiert werden, ihre Kraft, ganz besonders die kleinen, die für unsere Haltung so wichtig sind. Einmal trainiert, würden sie verlässlich den ganzen Tag arbeiten. Das geht besonders durch Schwerkraft (also aufstehen, gerade sitzen) sowie durch Balance- und Koordinationsübungen. Man stärkt das Skelett von innen nach außen: zuerst die kleineren und dann nach außen die größeren Muskeln. Wenn die kleinen trainiert sind, kann man auch Verspannungen in der großen vermeiden.

Rückenschmerzen und Kopfschmerzen kennen viele nach langem arbeiten, aber nach neueren Studien geht es weit darüber hinaus. Heute spricht man davon, dass schlechte Haltung bis zu 15 Jahre an Lebenszeit kosten kann, denn die Atmung wird flacher und dadurch gelangt weniger Sauerstoff in den Körper, ganz besonders in den Kopf. Außerdem werden die Organe zusammengepresst, sodass sie in ihrer Funktion behindert werden. Nicht zuletzt ist die Haltung und damit ein stabiles Muskelkorsett, eine der wichtigsten Vorbeugungen vor den gefürchteten Stürzen im Alter.

SCHLECHTE HALTUNG IST KEIN KAVALIERSDELIKT

Wieviel wiegt der Kopf, wenn man ihn aufrecht trägt und wenn man ihn nach vorne neigt, z.B. um etwas am Handy zu lesen? Noch nie darüber nachgedacht? Ich auch nicht, aber vor kurzem hat mich die Antwort dann echt überrascht!

Der Kopf, aufrecht getragen, wiegt ca. 6 kg. Bei 45° Neigung -  die erreicht man schnell einmal, wenn man aufs Handy schaut -  müssen die Wirbelsäule und die Muskulatur bereits mehr als 22 Kilogramm tragen! Und bei 60° Neigung, also beim vertieften Lesen, Streamen oder sonstigem Versinken im Smartphone oder Tablet, sind das satte 27 kg.[3] Das ist deutlich mehr, als unsere samstäglichen Einkäufe für 2 Personen.

Die Symptome, die dabei entstehen, haben bereits einen Namen: „Text Neck (Handy-Nacken)“  Genau das habe ich beim Zwiebelschneiden auch produziert - ohne Handy!

Lass den Kopf nicht hängen ist also mehr als nur eine aufmunternde, sprichwörtliche Aufforderung!

5 HALTUNGS-TIPPS FÜR EINE GUTE HALTUNG

TIPP 1 -    Achtsamkeit - Das Beste ist, wenn Du Dich immer wieder bei den alltäglichen Tätigkeiten beobachtest. Wie stehe, gehe, sitze ich gerade? Wie verändert sich meine Haltung, wenn ich das Handy nehme, am Computer bin, Auto fahre, Zwiebeln schneide, Wimpern tusche? Verändere Deine Position! Das hilft ungemein!

TIPP 2 -    Lernen Deine optimale Haltung kennen – Finde genau jene Positionen bei diesen alltäglichen Situationen, die den Körper maximal unterstützen oder entspannen und zu denen Du immer wieder zurückkehrst, wenn Du Dich ertappt hast. Es gibt dazu jede Menge Anregungen im Internet. Aber, vorher lass Dich von einem/einer Physiotherapeuten*In beraten, damit Du genau das machst, was für DICH das richtige ist. Das ist wirklich kein Luxus! Denn jede und jeder von uns ist anders!

TIPP 3 –   Probiere aus, was verschiedene Positionen bewirken – nimm Deine typische Computerhaltung ein – etwas zusammengesackt, die Schultern hängen nach vorne, der oberen Rücken ist leicht rund, der Kopf ist nach vorne gestreckt. Genau in dieser Position versuche jetzt eine tiefe Bauchatmung zu machen – geht vermutlich nicht. Jetzt dreh den Kopf nach links und rechts. Wie gut geht das? Wie weit kommst Du? Dann nimm Deine ideale Haltung ein und probiere beides  noch einmal. Merkst Du den Unterschied?

TIPP 4 –   Finde deine neue Mitte -  versuche Deine Füße, Knie, Becken, Brustkorb und der Kopf möglichst im Lot einzuordnen. Belaste die Füße vorne und hinten gleich. Schau, dass die Knie nicht überstreckt sind, sondern leicht federnd, aber auch nicht gebeugt. Becken, Brustkorb und Kopf sollen möglichst in einer Linie übereinander sein. Zum Schluss stell dir vor, dass es einen Faden gibt, der Dich beim obersten Scheitelpunkt des Kopfes nach oben zieht. Dann bist Du richtig.
Wichtig: Bewege dich um diese Mitte! Denn es geht ja nicht darum, in dieser neuen Haltung stocksteif durch´s Leben zu gehen.

TIPP 5 -    Zwischendurch ist Lümmeln aber erlaubt – Natürlich darf man sich in einer Entspannungsphase unterstützt fallen lassen (z.B. Polster im Kreuz, einer Lehne, oder was immer sich gut anfühlt.), aber komm immer wieder zurück in Deine neue Mitte.

Aber ganz wesentlich hängt die körperliche Haltung auch mit unserer inneren, emotionalen Haltung zusammen. Über den Körper zeigen wir unmissverständlich, wie wir gerade drauf sind und wie wir durchs Leben gehen. Meine, seit Jahrzehnten praktizierende, Physiotherapeutin bringt es auf den Punkt: „Glückliche Menschen, die mit sich zufrieden sind, haben automatisch eine aufrechtere Haltung. Andererseits kann eine gute Haltung auch mehr Selbstbewusstsein erzeugen und glücklichere Menschen machen!

In diesem Sinn: „Steh grade - geht doch!“

Herzlichst
Helga

 

[1] Dr. Ryan Wohlfert  in Younger, Longer the Insiders Health Summit 2021 by Brian Vaszily; 20.-26.1.2021- “Prevention and reversing cognitive decline – upgrade your brain, energy and longevity”

[3] https://www.kinderaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/wer-staendig-auf-sein-handy-starrt-riskiert-laengerfristig-rueckenschaeden/