Reden wir auch über Sterben & Tod

Sterben & Tod. Was passiert beim Sterben? Viele haben in unserem Alter schon Menschen begleitet, die gestorben sind. Welches Bild habt Ihr daraus mitgenommen? Ist es Schicksal, was passiert oder kann man sich in irgendeiner Art und Weise vorbereiten, dass der Weg für einen selber und die Angehörigen gut wird? Was wäre gut? Was passiert danach? Wann habt Ihr Euch das letzte Mal mit Freunden oder Familie dazu ausgetauscht?

Fragen über Fragen! Und obwohl der Tod wirklich uns alle betrifft, besteht bei vielen eine große Scheu, sich damit auseinanderzusetzen. Über kaum ein anderes Thema reden wir so wenig miteinander. Wenn wir aber strahlend alt werden wollen, dann reicht es nicht, sich nur den schönen und angenehmen Dingen zu widmen. Man muss sich auch Themen stellen, die schwierig sein können, aber definitiv zum Alter dazugehören. Wirkliches Strahlen kommt aus dem Inneren, vor allem auch, wenn man mit sich selbst im Reinen ist. Das heißt, wir sollten uns vor der Auseinandersetzung mit Sterben und Tod nicht drücken.

Ich nehme die Feiertage Allerheiligen & Allerseelen daher zum Anlass, genau in dieses Thema einzutauchen und möchte Euch mit diesem Post ermutigen, es selbst einmal in den Fokus zu rücken.

Es gibt so viele neue Erkenntnisse aus der Sterbeforschung und aus Nahtoderlebnissen, die den ganzen Prozess des Sterbens in ein neues Licht tauchen. Bei mir zumindest ist durch das Lesen einschlägiger Literatur und vor allem den Austausch mit befreundeten Sterbebegleitern viel Angst und Unsicherheit abgefallen. Und mit diesem neuen Bild von Sterben und Tod lässt es sich für mich deutlich besser leben!

Take away

  • Es zahlt sich wirklich aus, offen über Sterben und Tod zu reden; über Ängste, Unsicherheiten, Trauer, Erfahrungen, Hoffnungen etc.

  • Neue Erkenntnisse zeigen, dass Sterben ganz anders abläuft, als es für uns von außen aussieht.

  • Es gibt vieles, mit dem wir uns ein Leben lang gut vorbereiten können, z.B. im Loslassen, Konflikte bereinigen, Traumata aufarbeiten, Verzeihen, Selbstliebe und ein JA zum eigenen Leben entwickeln.  

 

freshidea - stock.adobe.com “Death after Life”

 

Vielleicht wundert Ihr Euch, dass ich diesen Artikel der Säule RESSOURCEN zuordne und nicht den Säulen ALTER oder GESUNDHEIT. Für mich stehen nicht Krankheit oder Verfall im Vordergrund, sondern wie es einem gelingt, sich von all dem zu trennen, was einem als materielle Ressource wichtig war und auf neue Ressourcen zurückzugreifen, wie z.B. die Kraft, loszulassen, Vertrauen, innere Würde und unser Höchstes Bewusstsein.

WAS MAN BISHER ERLEBT HAT, PRÄGT EINEN

In unserem Alter haben wohl alle schon mehr oder weniger intensiv das Sterben und den Tod von nahen Verwandten, Großeltern, Eltern oder Freunden miterlebt und persönliche Erfahrungen gemacht. Und mit Sicherheit hat jedes dieser Erlebnisse mehr oder weniger tiefe Eindrücke hinterlassen. Die Bandbreite, wie sie erlebt wurden ist riesig. Einige Freunde haben mir von einer Art heiliger Stimmung und einem Gefühl von tiefem Frieden berichtet, die sie wahrgenommen haben. Andere von schrecklichen Szenen, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen. Nicht selten heißt es dann „So möchte ich nie enden“. Wieder andere sind schlicht und einfach erleichtert, dass eine lange Phase des Leidens oder eine schwierige Beziehung ein Ende hat. All das prägt uns!

Als Kind bin ich, nachdem mein Opa begraben wurde, immer voll Angst am Friedhof vorbeigelaufen, der auf meinem Schulweg lag, besonders, wenn es im Winter schon dunkel war. Von seinem Tod habe ich nicht viel mitbekommen, außer dass er „vergraben“ wurde und das war eine beängstigende Vorstellung. Dass ich mich heute mit diesem Thema freiwillig befasse, finde ich einen bemerkenswerten Erfolg in meiner Entwicklung. Dazu haben neben dem Erwachsenwerden einige einschneidende Erlebnisse beigetragen. Z.B. hat mir die Verarbeitung des Todes meiner Mutter den Weg in ein spirituelles, energetisches Weltbild eröffnet. Meine energetischen Ausbildungen mit vielen beeindruckenden Erfahrungen und einem mystisches Einheitserlebnis waren dafür ebenso wichtig, wie nicht zuletzt aktuell das Sterben meiner Schwiegermutter und kurz danach das einer engen Freundin, das ich sehr nahe miterlebt habe.

EIN NEUES WELTBILD HAT MIR GEHOLFEN

Für mich war der Wechsel von einem rein technisch-biologischen Weltbild mit einem unabdingbaren Ende zu einem spirituell-energetischem Weltbild ein Schlüsselerlebnis. Mit dem Tod meiner Mutter habe ich schwer gehadert und mir daher Hilfe geholt. Mein Therapeut hatte dabei die geniale Idee, mich in meinem Weltbild abzuholen und ich bin ihm heute noch für seine Sätze dankbar: „Als Technikerin müssen sie doch verstehen und wissen, dass Energie nicht vergehen, sondern nur umgewandelt werden kann!  Wo bleibt die Energie, die einen Menschen ausmacht, wenn der Körper stirbt? Die Energie und das Bewusstsein ihrer Mutter sind doch noch da!“ 30 Sekunden und mein Weltbild war schlagartig ein anderes! Es war wie ein Kopfsprung aus materiellem Denken in die Spiritualität. Mir war völlig klar, dass es genauso sein musste und ich war von unglaublichem Frieden und Neugierde über diese neue Dimension erfüllt.

Ich möchte Euch dazu ermutigen, Eure eigenen Erlebnisse mit Tod und Sterben von Angehörigen und Freunden vor den Vorhang zu holen und wenn sie nicht mit einem friedvollen Gefühl verbunden sind, gegebenenfalls mit einem Therapeuten, Coach oder Energetiker aufzuarbeiten, vor allem „Wenn du nicht so enden willst“. Es ist einfach wichtig zu einem eigenen guten Weg zu finden. Denn es sind die bewussten und unbewussten Bilder im Kopf, die uns wie ein Autopilot lenken (siehe dazu Dein inneres Drehbuch).

Angst liegt nie in den Dingen selbst,
sondern darin, wie man sie betrachtet.

Anthony de Mello

WAS DIE STERBEFORSCHUNG DAZU SAGT

Aus der Fülle von neuen Informationen, die die Sterbeforschung, Bewusstseins-Forschung und die Erforschung von Nahtod-Erfahrungen (z.B. Pim van Lommel[1], Bernard Jacoby[2], Monica Renz[3]) derzeit aufzeigt, möchte ich Euch einige mitgeben:

×        Sterben ist eine wichtige und sinnvolle Zeit! Denn Sterben ist mehr als ein körperliches Ableben und geistiger Zerfall!

×        Sterben ist ein Prozess, unabhängig von Religion und Glauben. Hier ereignet sich etwas, das sich dem Begleiter vollkommen entzieht. Es kommt zu einer fundamentalen Wandlung der Persönlichkeitsstruktur.

×        Oft wird dabei mehrfach eine Bewusstseinsschwelle überschritten, wobei sich die Wahrnehmung verschiebt. Es geht vom ICH, dem vernünftigen, rationalen Menschen, zum SEIN, eingebettet in ein nicht-lokales, endloses Bewusstsein. Und genau darin liegt die Würde dieses Prozesses!

×        Als Begleiter sehen wir nur aus unserem Alltagsbewusstsein die körperlichen und manchmal auch geistigen Veränderungen, aber der Sterbende ist in einer ganz anderen Erlebniswelt mit anderen Sinneserfahrungen und Aufgaben.

×        Der Prozess ist wie eine Extremerfahrung, die in 3 Phasen abläuft: DAVOR – HINDURCH – DANACH.

  • Im DAVOR muss sich der Sterbende nicht nur von allem Materiellen trennen, auch alles was dem ICH wichtig war (Wille, Vernunft, Macht ... ) bleibt zurück. Wenn man sehr stark an diesen Werten klammert oder viele unerledigte, unaufgearbeitete Themen hat, kann der Prozess schmerzhaft sein, .Oder auch gut, wie z.B. bei meiner Freundin, die meinte: “Jetzt bin ich mit allem und allen in Frieden”

  • Das HINDURCH ist der Prozess des eigentlichen Loslassens. Eine Schwellensituation und durchaus mit der Geburt vergleichbar. Aber diesen Prozess kann man mehrfach durchschreiten und er wird im Wechsel von Anhaftung, der Fähigkeit Loszulassen und dem Geschehen, das sich unserem Willen entzieht, sehr unterschiedlich erlebt. Hier kommt es auch zur persönlichen Lebensrückschau aller Gedanken und Taten und dem Erkennen des Sinns darin.

  • DANACH - Ähnlich wie bei der Geburt kommt es nun zu einer totalen Entspannung. Berichte von Nahtoderlebnissen erzählen fast immer vom Tunnel, von Licht und bedingungsloser Liebe (genau so hat mir auch mein Vater sein Nahtoderlebnis im Krieg beschrieben). Sterbende treten in einen Zustand der Ruhe, Gelassenheit, Glückseligkeit ein, Qualitäten von Friede, Freiheit und Liebe sind wahrnehmbar. Dieser andere Bewusstseinszustand ist unabhängig von Religion und Glauben.

Natürlich befinden wir uns in einem Grenzbereich zwischen klassischer Naturwissenschaft und den Erkenntnissen sogenannter alternativer Forschung, die sich primär im jeweiligen Weltbild unterscheiden. Und nirgendwo sonst kommt das klarer heraus, als dann, wenn wir vom Tod sprechen. Im rein biologischen Weltbild sind alle menschlichen Phänomene chemisch und neurologisch begründet, Bewusstsein ist ein Nebenprodukt der Gehirntätigkeit und alles kommt mit dem Tod zu einem Ende. Im quantenphilosophischen und spirituellen Weltbild ist alles Energie und Information und der Mensch macht nach seinem körperlichen Ableben einen Bewusstseinssprung und existiert auf einer anderen Dimension. Diese Sichtweise ist durch die intensive Erforschung der Sterbeprozesse und Nahtoderlebnisse (allein in Deutschland gibt es 4 Millionen dokumentierte und ausgewertete Fälle) sehr gut belegt. Demnach existiert Bewusstsein unabhängig vom Körper und der Tod ist nur ein Übergang in eine andere Form des Seins.

Ist es wichtig zu wissen welches Weltbild das „Richtige“ ist? Ich stehe dem sehr pragmatisch gegenüber. Wenn es um den persönlichen Frieden mit dem Thema Sterben und Tod geht, dem Auflösen von Angst und Unsicherheit, dann ist für mich das richtig, was einem ein gutes Gefühl gibt. Auch Max, ein befreundeter Sterbebegleiter meinte, „Entscheidend ist, dass man ein eigenes Bild davon hat, wohin es geht und damit in Einklang ist“.

EINE SACHE DER WÜRDE

Immer wieder habe ich mich dabei ertappt, mit dem körperlichen Verfall von Sterbenden zu hadern. Für jemanden, dem es gut geht, ist es einfach schlimm zusehen zu müssen, wie sich Körper und Können verändern. Denn von klein auf haben wir gelernt, dass menschliche Würde mit Selbstbestimmung über den eigenen Körper untrennbar verbunden ist.

Die Frage von Würde hat sich für mich durch die oben zitierten Erkenntnisse und die Gespräche mit Sterbebegleitern vollkommen verändert. Nicht mehr der Körper steht während des Sterbeprozesses im Vordergrund (auch wenn er natürlich bestmöglich medizinisch unterstützt werden soll!), sondern das Innenleben, die geistige Dimension und deren Würde. In dieser Klarheit ist das zumindest für mich neu.

Als Angehöriger und Begleiter kann man sich dieser inneren Würde zuwenden. Es geht um das Erfüllen von letzten Bedürfnissen (z.B. sich aussprechen zu wollen, sich von Familie oder Freunden verabschieden wollen, Wünsche über Beerdigung äußern) und das Hineinfühlen in die Person. Denn Sterbende reagieren mehr und mehr auf Schwingungen und dazu gehören auch die Gefühle der Anwesenden. Sie hören alles und reagieren positiv auf Musik, mehr als wir glauben. Ein Freund berichtet mir, wie entscheidend es war, seiner Frau die “Freigabe zum Gehen” zu geben.

Sterbende denken und erleben nicht mehr immer rational und logisch, aber auch nicht unlogisch, sondern in Metaphern und Analogien und drücken sich oft in Symbolen aus. Dies zu erkennen und in dieser Situation als normal anzuerkennen ist wichtig für den würdevollen Umgang mit dem Sterbenden!

Max hat mir von den vielen Möglichkeiten berichtet, wie man Sterbende auf ihrem Weg liebevoll begleiten kann. Was seine Erzählungen ausgemacht hat, war diese vorbehaltlose Annahme, völlig ohne jegliches Werturteil über körperliche oder mentale Veränderungen.

GIBT ES GUTES STERBEN? KANN MAN SICH GUT VORBEREITEN?

Können wir beurteilen, was gut ist? Ist es ein schneller Tod (z.B. plötzlicher Herztod oder Unfall) oder langsames, bewusstes Abschiednehmen besser? Führt ein erfülltes Leben zu gutem Sterben?

Haben wir tatsächlich Einfluss darauf, wie unser Sterbeprozess abläuft? Und wenn ja, was kann man machen, um sich vorzubereiten? Wenn ich diese Fragen stelle, werde ich immer überrascht angeschaut „Wieso fragst Du? Möchtest Du schon sterben? Bist du krank?“ Nein! Ich möchte mich nur mit etwas auseinandersetzen, das in den nächsten 30-35 Jahren definitiv passieren wird! Auf alles bereiten wir uns vor, nur darauf nicht? Natürlich liest man viel über die Fortschritte in der Palliativmedizin, in der Pflege bis hin zur kontrovers diskutierten Sterbehilfe. Es ist auch sinnvoll, eine Patientenverfügung zu erstellen, um den medizinischen Teil abzugrenzen. Aber das betrifft alles nur die körperlichen Aspekte. Mir geht es um den inneren Prozess und die Einstellung dazu, also meine inneren Ressourcen!

Wir können die Tatsachen nicht ändern,
aber wir können unsere Einstellung dazu ändern,
indem wir besser verstehen lernen.
Bernard Jacoby

Vielleicht kennt Ihr sie bereits, die australische Krankenschwester Bronnie Ware[4], die festgehalten hat, was Sterbende am meisten bereuen, oder lieber anders gemacht hätten. Diese nannten immer und immer wieder dieselben Dinge und damit könnte man doch anfangen.

  1. Ich hätte gerne den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben – und mich nicht von den Erwartungen anderer leiten lassen.

  2. Ich hätte nicht so hart arbeiten dürfen (Ich hätte gerne mehr Zeit für meine Kinder und Partner gehabt).

  3. Ich hätte den Mut haben sollen, meine Gefühle auszudrücken.

  4. Ich hätte mit meinen Freunden in Kontakt bleiben sollen.

  5. Ich hätte mir mehr Glück und Zufriedenheit gönnen sollen.

Außerdem können wir uns ein Leben lang darauf vorbereiten, indem wir auch immer wieder Loslassen üben. z.B. uns von Gegenständen trennen, in Beziehungen nicht klammern (Partner, Eltern, Kinder aber auch Freunde), Verluste akzeptieren und annehmen und uns selbst und anderen Fehler verzeihen. Denn es geht um nichts anderes, als durch Selbstakzeptanz und Selbstliebe Eigenverantwortung für das gelebte Leben zu übernehmen!

Schließlich wollte ich von Max auch wissen, welche Möglichkeiten er aus seiner jahrzehntelangen Sterbebegleitung als gute Vorbereitung ansieht und er nannte mir folgende 3 Punkte:

Ein friedlicher Verlauf und ein einfacherer Übergang stellen sich dann ein,

1.      wenn man mit sich im Reinen ist. Z.B. möglichst wenig emotionalen Ballast mitschleppt oder unbedingt noch etwas erledigen möchte.
Dazu gehört auch, dass man Streitigkeiten beilegt und Verletzungen, Angst und Schmerz aufarbeitet. Denn alles, was unterdrückt wurde und wir nicht wahrhaben wollten, kommt spätestens beim Sterben an die Oberfläche und wirkt sich auf das DAVOR und HINDURCH aus.

2.     wenn man ein persönliches und befriedigendes Bild vom Tod und vom DANACH hat, das einem Orientierung gibt. Dafür ist es unerheblich ob es biologisch, religiös oder spirituell ist.

3.     Vor allem aber hat er mir empfohlen: Redet miteinander darüber!  

Herzlichst
Helga

Zu diesem Thema passt auch der Post: Jour Fixe mit dem inneren Kernteam

[1]    Pim van Lommel: Endloses Bewusstsein: Neue medizinische Fakten zur Nahtoderfahrung; Knaur, 2013

[2]   Bernard Jakoby: Was geschieht wenn wir sterben? Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Tod. Nymphenburger 2015

[3]   Monika Renz: Hinübergehen. Was beim Sterben geschieht; Herder 2016

[4]     Bronnie Ware: 5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen; Goldmann 2015