Sterben

Der Letzte-Hilfe-Kurs

Im späten Herbst, wenn die Natur sich bei uns langsam zurückzieht, ist es auch Zeit, nachdenklicher zu werden. Ich nütze diese Zeit gerne, um über besinnlichere Themen zu schreiben. Letztes Jahr war das der Post Reden wir über Sterben und Tod und heuer möchte ich euch etwas über den LETZTE-HILFE-Kurs [1] erzählen, den ich vor kurzem gemacht habe.

Während wir vermutlich alle einen oder mehrere ERSTE-HILFE-Kurse absolviert haben, ist den meisten, mit denen ich gesprochen habe, dieser Kurs gänzlich unbekannt.

Er wurde 2012 von einem deutschen Palliativmediziner entwickelt, weil er fand, dass unser Allgemeinwissen über die letzte Lebensphase viel zu gering ist und diese in unserer Gesellschaft auch kaum thematisiert wird. In diesen Kursen erhält man daher Basiswissen über 4 Themenkreise: Sterben ist ein Teil des Lebens – Vorsorgen und Entscheiden – Leiden lindern – Abschied nehmen.

Einige der Inhalte waren mir bekannt, denn ich habe mich ja im vorigen Jahr für den Post intensiv damit auseinandergesetzt und wir mussten uns auch in den letzten Jahren sowohl in der Familie als auch im Freundeskreis von lieben Menschen verabschieden. In diesem Kurs aber gab es auch noch viele andere interessante Informationen, die mir ein besonderes Gefühl von Sicherheit im Umgang mit dem Sterben gegeben haben. Ich fand diesen vierstündigen Kurs in jedem Fall lohnenswert!

Take away

  • Ein Kurs in LETZTE HILFE? Das macht man doch nicht freiwillig? Oder gerade dann erst recht!

  • Die Vortragenden und der Inhalt nehmen einem vieles an Unsicherheit und schaffen einen geschützten Raum, sich mit dem Thema intensiver auseinander zu setzen.

  • Das Lebensende von Angehörigen, Freunden oder anderen nahestehenden Menschen -  und nicht zuletzt von einem selbst - macht oft hilflos. Da helfen Basiswissen und Orientierungshilfe von denjenigen, die das regelmäßig (mit)erleben. 

 

cottonbro studio auf pexels

 

LETZTE HILFE KURS – DU MACHST DAS FREIWILLIG?

„Ist bei euch wirklich alles in Ordnung?“ Als ich Freunden erzählte, dass mein Mann und ich so einen Kurs besuchen werden, war die Bestürzung in ihren Gesichtern zu lesen. Ob denn etwas Schreckliches passiert ist? Ob wir beide doch eh gesund wären ? Wenn es keinen aktuellen Grund gibt, wieso macht ihr das überhaupt?

Ich habe von diesem Kurs von meiner Freundin Renate gehört, die Hospizleiterin in der Steiermark ist und seit einigen Jahren diese Kurse abhält. „Sie sind außergewöhnlich erfolgreich“, meint sie. „Oft gibt es so viele Anmeldungen, dass wir mehrere zusätzliche Termine anbieten müssen. Und inzwischen sind wir auch in Schulen gefragt. Es ist Allgemeinwissen, das wir unterrichten, denn Sterben und der Umgang damit gehören nun einmal zu jedem Leben“. Das hat mich neugierig gemacht. Nach einem Interview mit Renate habe ich schließlich auch den Kurs besucht.

Geleitet wurde er bei unserem Termin von zwei Krankenschwestern, die im Palliativbereich arbeiten. Sie haben mich schon alleine durch ihre Ruhe, ihre Ausstrahlung und die Art, wie sie voll unaufgeregter Zuwendung über all diese – für uns oft schwierigen - Themen gesprochen haben, begeistert. Die zweite Überraschung waren die Teilnehmer selbst: alle kamen aus Interesse, nicht aus aktuellem Bedarf (ich denke, das kann jedoch von Kurs zu Kurs unterschiedlich sein). Überrascht haben mich auch die vielen jungen Menschen, die sich informieren wollten, weil z.B. ihre Eltern älter werden, oder sie sich vorstellen können in diesem Bereich zu arbeiten oder auch, weil sie einen Abschied schon hinter sich hatten. 

DIE IDEE DES KURSES: EINE GEMEINSCHAFT BRAUCHT ALLGEMEINWISSEN ÜBER PALLIATIVE CARE

Die Idee stammt von Dr. Georg Bolling, der sich in seiner Masterthesis in Palliative Care mit Möglichkeiten befasste, wie man Laien mehr Information und Rüstzeug geben kann, Menschen in ihrer letzten Phase zu begleiten. Denn aufgrund des demographischen Wandels und der stetig wachsenden Anzahl hochbetagter Menschen, muss es eine neue Form von Caring Community geben, weil professionelle Hilfe (Palliativ-Medizin und -Pflege) nicht ausreichend ist, den Bedarf an Begleitung abzudecken.

Inzwischen ist daraus ein internationaler Verein (last aid) geworden und die Kurse werden in vielen europäischen Ländern, aber auch z.B. in Kanada, Australien und Brasilien angeboten. Seit 2017 gibt es Kurse auch in Österreich. (Letzte Hilfe Österreich)

Kurz zusammengefasst sehe ich das Ziel dieses Kurses darin, dass man einiges an Scheu vor dem Tod und endgültigem Abschied verliert, indem man sich damit auseinandersetzt und Grundkenntnisse dazu bekommt. Denn Angst entsteht vielfach aus dem Unbekannten. Das sagen uns bereits viele Zitate:

Kein Übel ist so groß, wie die Angst davor!
(Seneca)

Angst liegt nie in den Dingen selbst,
sondern darin, wie man sie betrachtet.
(Anthony de Mello)

Angst vor dem Leid ist schlimmer, als das Leiden selbst.
  (Sprichwort)

DER INHALT: MENTAL – EMOTIONAL – SPIRITUELL - PRAKTISCH

Modul 1: Sterben ist ein Teil des Lebens
Der Kurs beginnt mit der eigenen Einstellung zu dieser Thematik und die ist natürlich so persönlich wie kaum etwas anderes. Wir erfahren aber auch einiges über körperliche, psychische und soziale Veränderungen, über Anzeichen und Symptome. Und auch, dass das Sterben viele Gesichter hat. Es ist so individuell und persönlich wie das eigene Leben. Auch das, was an Lebensqualität empfunden wird, ändert sich permanent und kann nicht von Außenstehenden definiert werden. Was aber immer geht ist Zuwendung! Also einfach für jemand anderen da sein!

Modul 2: Vorsorgen und Entscheiden
„Wenn du eine Bergtour machst bist du darauf vorbereitet, dass sich das Wetter manchmal schlagartig ändern kann und du sorgst vor. Im Leben tun wir das oft nicht!“  In diesem Modul geht es nicht um Begleitung, sondern um uns selbst. Wir gehen den Fragen nach:

  • WAS macht für mich Lebensqualität aus? Sie ändert sich in jeder Phase unseres Lebens und muss immer wieder neu definiert werden.

  • WAS ist mir wichtig am Lebensende?

  • WER soll für mich entscheiden, wenn ich nicht kann?

  • WO & WIE würde ich gerne sterben?

  • WANN hat das Leben für mich noch einen Sinn?

Viele dieser Fragen klärt man, wenn man eine Patienten- und Vorsorgeverfügung unterzeichnet und sich daher intensiv damit beschäftigt bzw. beschäftigen muss (mein Mann und ich haben das bereits vor einiger Zeit gemacht und es war für uns ein wertvoller und wichtiger Prozess). Umso überraschter war ich, als wir erfahren haben, dass nur ca. 8% der Österreicher zwischen 25 und 70 Jahren und nur etwa 17% (!) der über 60-Jährigen diese haben. [2]

Modul 3: Leiden lindern
Niemand muss heute in unserer westlichen Gesellschaft mit ihren hohen medizinischen Standards beim Sterben physisch leiden! Das hört sich nicht nur beruhigend an, unsere Vortragenden haben dieses Statement auch vielfältig durch einen guten Überblick über medizinische Möglichkeiten bei unterschiedlichen Herausforderungen untermauert. Darüber hinaus erfahren wir aber auch viele nichtmedikamentöse Maßnahmen, die man als Begleitender ohne jegliche Fachausbildung praktisch immer machen kann. Dazu gehören Berührungen, Gerüche, Musik, Lieblingsspeisen in minimalen Dosen oder wissen wie man Durst löschen kann ohne etwas zu trinken zu geben. Und interessant ist auch: Meist brauchen die Sterbenden weniger als die Angehörigen!

Auch wenn es klar ist, dass medizinische Fach- und Pflegekräfte aus Zeitmangel nur einen sehr kleinen Teil der gesamten Betreuung von Sterbenden leisten können, wie gering der Anteil aber tatsächlich ist, hat mich dennoch überrascht. Der überwiegende Anteil an Zuwendung kommt von Angehören oder Begleitern. Da sein, auch ohne etwas zu tun (!) und einfach nur zuhören, das ist es, worum es in dieser Begleitung geht - und das machen nicht Ärzte oder Pflegepersonal.

Mit all dem, das man in diesem Kurs erfährt, fällt es leichter, die Unsicherheit oder Sorgen abzulegen, etwas falsch zu machen.

Modul 4: Abschied nehmen
Alle Sterbebegleiter, mit denen ich bisher gesprochen haben, bestätigen, dass der unmittelbare Augenblick des Todes ein besonderer Moment ist, der immer viel Frieden und Entspannung verbreitet. Allein schon diese Erfahrungen sind aus meiner Sicht hilfreich! Aber zurück bleibt natürlich die Trauer und wir haben daher ausführlich über die Möglichkeiten und Rituale gesprochen, wie man damit umgehen kann.

Denn der Tod beendet das Leben, aber nicht die Beziehung!
Und in der Trauer lebt die Liebe weiter
.

MEINE GANZ PERSÖNLICHEN EINDRÜCKE

Wieder einmal hat mich tief berührt, mit wie viel Würde und Respekt Profis von dieser letzten Lebensphase sprechen. Dieses Zulassen von persönlichen Wünschen und Vorlieben, das Eingehen auf den Menschen mit all seinen Bedürfnissen und Eigenheiten in dieser letzten und damit ganz speziellen Lebensphase gibt mir ein Gefühl von Ruhe. Ich wünschte mir, dass wir uns auch für unser Leben ganz viel davon abschauen könnten!

Es ist wie bei allem, das einem Sorgen bereitet: die bewusste Auseinandersetzung mit einem Thema, in diesem Fall dem Sterben, nimmt einen großen Teil dieser Sorgen. Dieser Kurs schaffte für mich einen Raum dafür, bringt vieles an Klarheit und spricht unverblümt und wertschätzend auch Tabus an.

Menschen, die sterben, brauchen primär Zuwendung, Achtsamkeit und Ruhe. Weniger scheint oft mehr zu sein. Aber genau das ist es - wie ich es selber erlebt habe - was uns in der manchmal hilflos hoffenden Dramatik des Geschehens so schwer fällt. Denn, vielleicht kann man ja doch noch etwas machen?

Essen und Trinken halten Leib und Seele zusammen. Wie oft habe ich diesen Spruch schon gehört! Aber erstmals habe ich den tieferen Sinn weiter verfolgt. Was ist, wenn sich Leib und Seele trennen wollen und werden? Dann stellt der Sterbende das Essen und Trinken ein, um der Seele und dem Leib die Trennung zu erleichtern! Und das muss man dann einfach respektieren, auch wenn es für Angehörige und/oder Begleitende oft sehr schwer ist!

Eine weitere Aussage hat mich persönlich berührt und mir nach Jahrzehnten Klarheit verschafft: „Wenn ihr mit Kindern sprecht, sagt niemals, dass jemand „eingeschlafen“ oder „fortgegangen“ ist. Verwendet immer das Wort „sterben“. Es könnte passieren, dass Kinder durch solche Assoziationen Angst vor dem Schlafen oder vor Trennungen entwickeln.“ Kinder kommen mit klaren Aussagen viel besser zurande, als mit solchen Umschreibungen. Ich erinnere mich genau, dass ich, nachdem mein Opa gestorben (mir als Kind wurde gesagt „eingeschlafen“) war, wochenlang nicht schlafen wollte und konnte…

Das waren meine ganz persönlichen Eindrücke von einem wirklich gut gemachten Kurs über ein schwieriges Thema und ich habe viel für mich mitgenommen. Das wollte ich einfach mit euch teilen.

Herzlichst
Helga

[1] Dr. Georg Bollig: Der Letzte Hilfe Kurs – Praxis Palliativ Care 2017/27
 https://www.hospizakademie-nuernberg.de/fileadmin/user_upload/PDF/Bollig_Letzte_Hilfe_Kurs_Prax_Pall_Care_2015.pdf

[2] Vorsorge-Studie 2021  Österreichische Notariatskammer
https://ihr-notariat.at/informationen/aktuelle-infos-veranstaltungen/vorsorge-studie-2021/#:~:text=Acht%20Prozent%20haben%20mit%20einer,%25%20auf%204%2C4%25.
https://www.notariatskammer.at/studie-vorsorge-fuer-oesterreicher-ist-wichtig/

Reden wir auch über Sterben & Tod

Sterben & Tod. Was passiert beim Sterben? Viele haben in unserem Alter schon Menschen begleitet, die gestorben sind. Welches Bild habt Ihr daraus mitgenommen? Ist es Schicksal, was passiert oder kann man sich in irgendeiner Art und Weise vorbereiten, dass der Weg für einen selber und die Angehörigen gut wird? Was wäre gut? Was passiert danach? Wann habt Ihr Euch das letzte Mal mit Freunden oder Familie dazu ausgetauscht?

Fragen über Fragen! Und obwohl der Tod wirklich uns alle betrifft, besteht bei vielen eine große Scheu, sich damit auseinanderzusetzen. Über kaum ein anderes Thema reden wir so wenig miteinander. Wenn wir aber strahlend alt werden wollen, dann reicht es nicht, sich nur den schönen und angenehmen Dingen zu widmen. Man muss sich auch Themen stellen, die schwierig sein können, aber definitiv zum Alter dazugehören. Wirkliches Strahlen kommt aus dem Inneren, vor allem auch, wenn man mit sich selbst im Reinen ist. Das heißt, wir sollten uns vor der Auseinandersetzung mit Sterben und Tod nicht drücken.

Ich nehme die Feiertage Allerheiligen & Allerseelen daher zum Anlass, genau in dieses Thema einzutauchen und möchte Euch mit diesem Post ermutigen, es selbst einmal in den Fokus zu rücken.

Es gibt so viele neue Erkenntnisse aus der Sterbeforschung und aus Nahtoderlebnissen, die den ganzen Prozess des Sterbens in ein neues Licht tauchen. Bei mir zumindest ist durch das Lesen einschlägiger Literatur und vor allem den Austausch mit befreundeten Sterbebegleitern viel Angst und Unsicherheit abgefallen. Und mit diesem neuen Bild von Sterben und Tod lässt es sich für mich deutlich besser leben!

Take away

  • Es zahlt sich wirklich aus, offen über Sterben und Tod zu reden; über Ängste, Unsicherheiten, Trauer, Erfahrungen, Hoffnungen etc.

  • Neue Erkenntnisse zeigen, dass Sterben ganz anders abläuft, als es für uns von außen aussieht.

  • Es gibt vieles, mit dem wir uns ein Leben lang gut vorbereiten können, z.B. im Loslassen, Konflikte bereinigen, Traumata aufarbeiten, Verzeihen, Selbstliebe und ein JA zum eigenen Leben entwickeln.  

 

freshidea - stock.adobe.com “Death after Life”

 

Vielleicht wundert Ihr Euch, dass ich diesen Artikel der Säule RESSOURCEN zuordne und nicht den Säulen ALTER oder GESUNDHEIT. Für mich stehen nicht Krankheit oder Verfall im Vordergrund, sondern wie es einem gelingt, sich von all dem zu trennen, was einem als materielle Ressource wichtig war und auf neue Ressourcen zurückzugreifen, wie z.B. die Kraft, loszulassen, Vertrauen, innere Würde und unser Höchstes Bewusstsein.

WAS MAN BISHER ERLEBT HAT, PRÄGT EINEN

In unserem Alter haben wohl alle schon mehr oder weniger intensiv das Sterben und den Tod von nahen Verwandten, Großeltern, Eltern oder Freunden miterlebt und persönliche Erfahrungen gemacht. Und mit Sicherheit hat jedes dieser Erlebnisse mehr oder weniger tiefe Eindrücke hinterlassen. Die Bandbreite, wie sie erlebt wurden ist riesig. Einige Freunde haben mir von einer Art heiliger Stimmung und einem Gefühl von tiefem Frieden berichtet, die sie wahrgenommen haben. Andere von schrecklichen Szenen, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen. Nicht selten heißt es dann „So möchte ich nie enden“. Wieder andere sind schlicht und einfach erleichtert, dass eine lange Phase des Leidens oder eine schwierige Beziehung ein Ende hat. All das prägt uns!

Als Kind bin ich, nachdem mein Opa begraben wurde, immer voll Angst am Friedhof vorbeigelaufen, der auf meinem Schulweg lag, besonders, wenn es im Winter schon dunkel war. Von seinem Tod habe ich nicht viel mitbekommen, außer dass er „vergraben“ wurde und das war eine beängstigende Vorstellung. Dass ich mich heute mit diesem Thema freiwillig befasse, finde ich einen bemerkenswerten Erfolg in meiner Entwicklung. Dazu haben neben dem Erwachsenwerden einige einschneidende Erlebnisse beigetragen. Z.B. hat mir die Verarbeitung des Todes meiner Mutter den Weg in ein spirituelles, energetisches Weltbild eröffnet. Meine energetischen Ausbildungen mit vielen beeindruckenden Erfahrungen und einem mystisches Einheitserlebnis waren dafür ebenso wichtig, wie nicht zuletzt aktuell das Sterben meiner Schwiegermutter und kurz danach das einer engen Freundin, das ich sehr nahe miterlebt habe.

EIN NEUES WELTBILD HAT MIR GEHOLFEN

Für mich war der Wechsel von einem rein technisch-biologischen Weltbild mit einem unabdingbaren Ende zu einem spirituell-energetischem Weltbild ein Schlüsselerlebnis. Mit dem Tod meiner Mutter habe ich schwer gehadert und mir daher Hilfe geholt. Mein Therapeut hatte dabei die geniale Idee, mich in meinem Weltbild abzuholen und ich bin ihm heute noch für seine Sätze dankbar: „Als Technikerin müssen sie doch verstehen und wissen, dass Energie nicht vergehen, sondern nur umgewandelt werden kann!  Wo bleibt die Energie, die einen Menschen ausmacht, wenn der Körper stirbt? Die Energie und das Bewusstsein ihrer Mutter sind doch noch da!“ 30 Sekunden und mein Weltbild war schlagartig ein anderes! Es war wie ein Kopfsprung aus materiellem Denken in die Spiritualität. Mir war völlig klar, dass es genauso sein musste und ich war von unglaublichem Frieden und Neugierde über diese neue Dimension erfüllt.

Ich möchte Euch dazu ermutigen, Eure eigenen Erlebnisse mit Tod und Sterben von Angehörigen und Freunden vor den Vorhang zu holen und wenn sie nicht mit einem friedvollen Gefühl verbunden sind, gegebenenfalls mit einem Therapeuten, Coach oder Energetiker aufzuarbeiten, vor allem „Wenn du nicht so enden willst“. Es ist einfach wichtig zu einem eigenen guten Weg zu finden. Denn es sind die bewussten und unbewussten Bilder im Kopf, die uns wie ein Autopilot lenken (siehe dazu Dein inneres Drehbuch).

Angst liegt nie in den Dingen selbst,
sondern darin, wie man sie betrachtet.

Anthony de Mello

WAS DIE STERBEFORSCHUNG DAZU SAGT

Aus der Fülle von neuen Informationen, die die Sterbeforschung, Bewusstseins-Forschung und die Erforschung von Nahtod-Erfahrungen (z.B. Pim van Lommel[1], Bernard Jacoby[2], Monica Renz[3]) derzeit aufzeigt, möchte ich Euch einige mitgeben:

×        Sterben ist eine wichtige und sinnvolle Zeit! Denn Sterben ist mehr als ein körperliches Ableben und geistiger Zerfall!

×        Sterben ist ein Prozess, unabhängig von Religion und Glauben. Hier ereignet sich etwas, das sich dem Begleiter vollkommen entzieht. Es kommt zu einer fundamentalen Wandlung der Persönlichkeitsstruktur.

×        Oft wird dabei mehrfach eine Bewusstseinsschwelle überschritten, wobei sich die Wahrnehmung verschiebt. Es geht vom ICH, dem vernünftigen, rationalen Menschen, zum SEIN, eingebettet in ein nicht-lokales, endloses Bewusstsein. Und genau darin liegt die Würde dieses Prozesses!

×        Als Begleiter sehen wir nur aus unserem Alltagsbewusstsein die körperlichen und manchmal auch geistigen Veränderungen, aber der Sterbende ist in einer ganz anderen Erlebniswelt mit anderen Sinneserfahrungen und Aufgaben.

×        Der Prozess ist wie eine Extremerfahrung, die in 3 Phasen abläuft: DAVOR – HINDURCH – DANACH.

  • Im DAVOR muss sich der Sterbende nicht nur von allem Materiellen trennen, auch alles was dem ICH wichtig war (Wille, Vernunft, Macht ... ) bleibt zurück. Wenn man sehr stark an diesen Werten klammert oder viele unerledigte, unaufgearbeitete Themen hat, kann der Prozess schmerzhaft sein, .Oder auch gut, wie z.B. bei meiner Freundin, die meinte: “Jetzt bin ich mit allem und allen in Frieden”

  • Das HINDURCH ist der Prozess des eigentlichen Loslassens. Eine Schwellensituation und durchaus mit der Geburt vergleichbar. Aber diesen Prozess kann man mehrfach durchschreiten und er wird im Wechsel von Anhaftung, der Fähigkeit Loszulassen und dem Geschehen, das sich unserem Willen entzieht, sehr unterschiedlich erlebt. Hier kommt es auch zur persönlichen Lebensrückschau aller Gedanken und Taten und dem Erkennen des Sinns darin.

  • DANACH - Ähnlich wie bei der Geburt kommt es nun zu einer totalen Entspannung. Berichte von Nahtoderlebnissen erzählen fast immer vom Tunnel, von Licht und bedingungsloser Liebe (genau so hat mir auch mein Vater sein Nahtoderlebnis im Krieg beschrieben). Sterbende treten in einen Zustand der Ruhe, Gelassenheit, Glückseligkeit ein, Qualitäten von Friede, Freiheit und Liebe sind wahrnehmbar. Dieser andere Bewusstseinszustand ist unabhängig von Religion und Glauben.

Natürlich befinden wir uns in einem Grenzbereich zwischen klassischer Naturwissenschaft und den Erkenntnissen sogenannter alternativer Forschung, die sich primär im jeweiligen Weltbild unterscheiden. Und nirgendwo sonst kommt das klarer heraus, als dann, wenn wir vom Tod sprechen. Im rein biologischen Weltbild sind alle menschlichen Phänomene chemisch und neurologisch begründet, Bewusstsein ist ein Nebenprodukt der Gehirntätigkeit und alles kommt mit dem Tod zu einem Ende. Im quantenphilosophischen und spirituellen Weltbild ist alles Energie und Information und der Mensch macht nach seinem körperlichen Ableben einen Bewusstseinssprung und existiert auf einer anderen Dimension. Diese Sichtweise ist durch die intensive Erforschung der Sterbeprozesse und Nahtoderlebnisse (allein in Deutschland gibt es 4 Millionen dokumentierte und ausgewertete Fälle) sehr gut belegt. Demnach existiert Bewusstsein unabhängig vom Körper und der Tod ist nur ein Übergang in eine andere Form des Seins.

Ist es wichtig zu wissen welches Weltbild das „Richtige“ ist? Ich stehe dem sehr pragmatisch gegenüber. Wenn es um den persönlichen Frieden mit dem Thema Sterben und Tod geht, dem Auflösen von Angst und Unsicherheit, dann ist für mich das richtig, was einem ein gutes Gefühl gibt. Auch Max, ein befreundeter Sterbebegleiter meinte, „Entscheidend ist, dass man ein eigenes Bild davon hat, wohin es geht und damit in Einklang ist“.

EINE SACHE DER WÜRDE

Immer wieder habe ich mich dabei ertappt, mit dem körperlichen Verfall von Sterbenden zu hadern. Für jemanden, dem es gut geht, ist es einfach schlimm zusehen zu müssen, wie sich Körper und Können verändern. Denn von klein auf haben wir gelernt, dass menschliche Würde mit Selbstbestimmung über den eigenen Körper untrennbar verbunden ist.

Die Frage von Würde hat sich für mich durch die oben zitierten Erkenntnisse und die Gespräche mit Sterbebegleitern vollkommen verändert. Nicht mehr der Körper steht während des Sterbeprozesses im Vordergrund (auch wenn er natürlich bestmöglich medizinisch unterstützt werden soll!), sondern das Innenleben, die geistige Dimension und deren Würde. In dieser Klarheit ist das zumindest für mich neu.

Als Angehöriger und Begleiter kann man sich dieser inneren Würde zuwenden. Es geht um das Erfüllen von letzten Bedürfnissen (z.B. sich aussprechen zu wollen, sich von Familie oder Freunden verabschieden wollen, Wünsche über Beerdigung äußern) und das Hineinfühlen in die Person. Denn Sterbende reagieren mehr und mehr auf Schwingungen und dazu gehören auch die Gefühle der Anwesenden. Sie hören alles und reagieren positiv auf Musik, mehr als wir glauben. Ein Freund berichtet mir, wie entscheidend es war, seiner Frau die “Freigabe zum Gehen” zu geben.

Sterbende denken und erleben nicht mehr immer rational und logisch, aber auch nicht unlogisch, sondern in Metaphern und Analogien und drücken sich oft in Symbolen aus. Dies zu erkennen und in dieser Situation als normal anzuerkennen ist wichtig für den würdevollen Umgang mit dem Sterbenden!

Max hat mir von den vielen Möglichkeiten berichtet, wie man Sterbende auf ihrem Weg liebevoll begleiten kann. Was seine Erzählungen ausgemacht hat, war diese vorbehaltlose Annahme, völlig ohne jegliches Werturteil über körperliche oder mentale Veränderungen.

GIBT ES GUTES STERBEN? KANN MAN SICH GUT VORBEREITEN?

Können wir beurteilen, was gut ist? Ist es ein schneller Tod (z.B. plötzlicher Herztod oder Unfall) oder langsames, bewusstes Abschiednehmen besser? Führt ein erfülltes Leben zu gutem Sterben?

Haben wir tatsächlich Einfluss darauf, wie unser Sterbeprozess abläuft? Und wenn ja, was kann man machen, um sich vorzubereiten? Wenn ich diese Fragen stelle, werde ich immer überrascht angeschaut „Wieso fragst Du? Möchtest Du schon sterben? Bist du krank?“ Nein! Ich möchte mich nur mit etwas auseinandersetzen, das in den nächsten 30-35 Jahren definitiv passieren wird! Auf alles bereiten wir uns vor, nur darauf nicht? Natürlich liest man viel über die Fortschritte in der Palliativmedizin, in der Pflege bis hin zur kontrovers diskutierten Sterbehilfe. Es ist auch sinnvoll, eine Patientenverfügung zu erstellen, um den medizinischen Teil abzugrenzen. Aber das betrifft alles nur die körperlichen Aspekte. Mir geht es um den inneren Prozess und die Einstellung dazu, also meine inneren Ressourcen!

Wir können die Tatsachen nicht ändern,
aber wir können unsere Einstellung dazu ändern,
indem wir besser verstehen lernen.
Bernard Jacoby

Vielleicht kennt Ihr sie bereits, die australische Krankenschwester Bronnie Ware[4], die festgehalten hat, was Sterbende am meisten bereuen, oder lieber anders gemacht hätten. Diese nannten immer und immer wieder dieselben Dinge und damit könnte man doch anfangen.

  1. Ich hätte gerne den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben – und mich nicht von den Erwartungen anderer leiten lassen.

  2. Ich hätte nicht so hart arbeiten dürfen (Ich hätte gerne mehr Zeit für meine Kinder und Partner gehabt).

  3. Ich hätte den Mut haben sollen, meine Gefühle auszudrücken.

  4. Ich hätte mit meinen Freunden in Kontakt bleiben sollen.

  5. Ich hätte mir mehr Glück und Zufriedenheit gönnen sollen.

Außerdem können wir uns ein Leben lang darauf vorbereiten, indem wir auch immer wieder Loslassen üben. z.B. uns von Gegenständen trennen, in Beziehungen nicht klammern (Partner, Eltern, Kinder aber auch Freunde), Verluste akzeptieren und annehmen und uns selbst und anderen Fehler verzeihen. Denn es geht um nichts anderes, als durch Selbstakzeptanz und Selbstliebe Eigenverantwortung für das gelebte Leben zu übernehmen!

Schließlich wollte ich von Max auch wissen, welche Möglichkeiten er aus seiner jahrzehntelangen Sterbebegleitung als gute Vorbereitung ansieht und er nannte mir folgende 3 Punkte:

Ein friedlicher Verlauf und ein einfacherer Übergang stellen sich dann ein,

1.      wenn man mit sich im Reinen ist. Z.B. möglichst wenig emotionalen Ballast mitschleppt oder unbedingt noch etwas erledigen möchte.
Dazu gehört auch, dass man Streitigkeiten beilegt und Verletzungen, Angst und Schmerz aufarbeitet. Denn alles, was unterdrückt wurde und wir nicht wahrhaben wollten, kommt spätestens beim Sterben an die Oberfläche und wirkt sich auf das DAVOR und HINDURCH aus.

2.     wenn man ein persönliches und befriedigendes Bild vom Tod und vom DANACH hat, das einem Orientierung gibt. Dafür ist es unerheblich ob es biologisch, religiös oder spirituell ist.

3.     Vor allem aber hat er mir empfohlen: Redet miteinander darüber!  

Herzlichst
Helga

Zu diesem Thema passt auch der Post: Jour Fixe mit dem inneren Kernteam

[1]    Pim van Lommel: Endloses Bewusstsein: Neue medizinische Fakten zur Nahtoderfahrung; Knaur, 2013

[2]   Bernard Jakoby: Was geschieht wenn wir sterben? Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Tod. Nymphenburger 2015

[3]   Monika Renz: Hinübergehen. Was beim Sterben geschieht; Herder 2016

[4]     Bronnie Ware: 5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen; Goldmann 2015