Etwas machen, das Sinn macht.

Wer will das nicht? Etwas Sinnvolles machen, ist eines unserer tiefsten menschlichen Bedürfnisse. Optimaler Weise findet man das bereits im Job. Aber ehrlich, nicht immer erschließt sich der Sinn im Beruf und nicht alle Talente sind gefragt oder rechnen sich. Jetzt ist die Zeit dafür! In der Pension kann und soll man wählerisch sein und sich aussuchen, mit welchen Tätigkeiten man die eigenen Fähigkeiten zum Ausdruck bringen will. Dass wir es aber auch als sinnvoll bewerten, erfordert noch einen weiteren Aspekt, nämlich, dass es ein Beitrag zum Wohl anderer ist.

Daher finde ich es wichtig, nicht irgendeine Tätigkeit in der Pension zu machen oder sich einfach nur eine Beschäftigung zu suchen. Es muss schon etwas sein, das für einen selbst UND für andere einen Wert hat. Das kann organisiert oder informell sein, dem eigenen, ehemaligen Job ähnlich oder ganz etwas anderes sein, entscheidend ist nur wie man diese Tätigkeit selbst bewertet. In diesem Post möchte ich dem Sinnvollen nachgehen und Euch ein paar Beispiele beschreiben.

Take away

  • Wer sich sinnvoll engagiert lebt gesünder!

  • Sinnvoll erachten wir etwas, das für uns selbst und andere einen Wert hat.

  • Auch eine sinnvolle Tätigkeit in der Pension soll kein Full-Time-Job mehr sein.

  • Mindestens die Hälfte aller Pensionisten von 60-80 leisten mit ihrem freiwilligen Engagement einen unverzichtbaren Beitrag für unsere Gesellschaft.

 

Foto: Laurenz Vavrovsky

 

FREIWILLIGENARBEIT VON PENSIONISTEN IST EINE GESELLSCHAFTLICH RELEVANTE GRÖSSE

Habt Ihr gewusst, dass fast 57% aller Pensionisten zwischen 60 und 69 und 43% der 70 bis 79-jährigen im Rahmen von Freiwilligenarbeit tätig sind. Diese Zahlen aus 2015 (werden jetzt sie sicher noch höher sein!) habe ich im Freiwilligenbericht 2019 des österreichischen Sozialministeriums gefunden. In Summe sind das in Österreich fast 1 Million Menschen zwischen 60 und 80, die regelmäßig einer gesellschaftlich relevanten Tätigkeit außerhalb des eigenen Haushalts nachgehen! Und dazu kommen noch die informellen Engagements und Nachbarschaftshilfe.

Die Freiwilligenarbeit ist in den letzten 10 Jahren regelrecht „explodiert“. In Deutschland wollten sich 2012 gerade einmal 27% der Senioren engagieren[i], heute sind es 77% [ii]! Die Haupttätigkeitsfelder sind die Betreuung anderer älterer Menschen, die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sowie die Kommunalpolitik. Im Bereich Pflege und Soziales engagieren sich 9% und für Kunst und Kultur 8%. 

 

Neue forsa-Studie zum gesellschaftlichen Beitrag von Senioren

 

Also, obwohl ich mich schon länger mit den aktiven Senioren befasse, hat mich diese Statistik tief beeindruckt und zeigt, dass wir Senioren nach wie vor einen wesentlichen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten!

WARUM IST ES WICHTIG ETWAS SINNVOLLES ZU MACHEN?

Im letzten Post Neues erleben, das Spaß macht ist es mir darum gegangen, dass wir uns im Alter ausreichend Zeit und Gelegenheit geben Spaß zu haben und Neues erleben. Beides ist gut für unsere Vitalität und Gesundheit. Aber nur Spaß haben ist nicht genug, denn es ist auf Dauer nicht befriedigend. Speziell für die psychische Gesundheit ist Sinnerleben essentiell. Das gilt in allen Lebensabschnitten, ganz besonders auch in der Pension, wenn Erwerbstätigkeit und Familienorganisation weitgehend vorbei sind.

Wenn es um Sinn geht, stehen nicht Ziele und Erfolg im Zentrum, sondern Werte!

Ich bin diesem Sinnempfinden nachgegangen und es decken sich die Definitionen:

Wir sehen etwas als sinnvoll an,
wenn es für uns selbst
und auch für andere einen Wert hat.

Das ist auch der Unterschied zu Spaß und Hobby, die man beide auch aus Begeisterung und mit Freude macht, aber primär für sich selber. oder andererseits, wenn man etwas NUR für andere macht. Viele Studien zeigen, dass freiwilliges Engagement von Senioren neben dem Erfüllen eigener Werte insbesondere für das Wohlfühlen, die Lebenszufriedenheit, die sozialen Kontakte, aber auch für bessere physische und mentale Gesundheit sorgen. Also alles in allem, ein Lebenselixier!
Hier sind die 4 wichtigsten Punkte, die beschreiben was eine sinnerfüllte Tätigkeit ausmacht:

  • Entspricht sie meinen Werten (z.B. soziales Engagement, Kultur, Kunst, Liebe, Hilfsbereitschaft, Weitergeben, ... )?

  • Ermöglicht sie mir Selbstverwirklichung & Selbstentfaltung – Kann ich meine Talente und Fähigkeiten damit ausleben?

  • Bedeutsamkeit – Trägt diese Tätigkeit zum Wohl anderer Menschen oder der Gesellschaft etwas bei und bekomme ich das auch zurückgespiegelt?

  • Fühle ich mich zugehörig? Ebenfalls ein wichtiger Punkt! Wir nehmen nachweislich eine Tätigkeit dann noch mehr als sinnvoll wahr, wenn wir sie im Rahmen einer Gemeinschaft mit Fürsorge und Harmonie erleben.

ES GIBT UNENDLICH VIELE MÖGLICHKEITEN

Ich habe mit vielen gleichaltrigen Bekannten über ihr Engagement gesprochen und war fasziniert von der Fülle unterschiedlicher Tätigkeiten, über die sie mir berichtet haben. Sehr viele betreuen ihre Enkel regelmäßig ein- oder mehrmals in der Woche, andere die Eltern und genau das ist es, was Familie so wertvoll macht, finde ich. Andere engagieren sich mit Kindern, sei es beim Lesen lernen in der Schule oder im Sportverein. Ein Freund und Forstwirt bringt Schulkindern den Wald näher. Ein anderer Freund, früher Arzt, war immer schon begeisterter Handwerker. Nun ist er mit Leib und Seele die graue handwerkliche Eminenz in seiner ganzen Siedlung, zur Freude aller Nachbarn, und er ist glücklich über jedes Projekt. Alle diese Sinn-Tätigkeiten beinhalten viel Engagement, Verantwortung und auch Verpflichtung.

Sogenannte Freiwilligenarbeit findet immer in einem organisatorischen Rahmen statt, unentgeltlich und zum Zweck der Förderung der Allgemeinheit, wie es offiziell heißt. Wie unterschiedlich Freiwilligenarbeit sein kann, möchte ich Euch anhand der Tätigkeiten von Robert, meinem Mann, und unserem Freund Mario zeigen.

Freiwilligenarbeit im Museum : „Ich bin in einer neuen Welt gelandet!“

Robert hat viele Jahre in einem internationalen Konzern gearbeitet und war danach selbständig. Bereits vor Beginn seiner Pension tauchte der Wunsch auf „Ich möchte etwas mit meinen Händen erschaffen, kreativ sein und gleichzeitig etwas für die Gesellschaft beitragen“. Er hat sich intensiv auf die Suche nach so einer Tätigkeit gemacht und sie auf der Freiwilligenmesse beim Museumsmanagment NÖ gefunden. Im Rahmen der Ausbildung zum Museumskustos ist er auf die Zinnfigurenwelt Katzelsdorf, eines der größten Museen dieser Art weltweit, gestoßen, die freiwillige Mitarbeiter gesucht hat. Mit Zinnfiguren hatte er sich bis dahin nie beschäftigt, aber die Tätigkeit an sich war perfekt für ihn. Heute recherchiert er historische Hintergründe, gestaltet, baut und renoviert Dioramen (das sind Schaubilder, ähnlich Mini-Bühnen, die die Zinnfiguren in Szene setzen), kuratiert Ausstellungen, erstellte Unterlagen für das Museumsgütesiegel u.v.m. Vom Handwerklichen (seiner Leidenschaft) bis zum Organisatorischen (seinen beruflichen Erfahrungen) kann er alles verbinden. Und auch der gesellschaftliche Aspekt ist erfüllt, denn Zinnfiguren sind heute kulturhistorisches Gut.

Als ich ihn frage, was das wichtigste für ihn bei dieser Tätigkeit ist meint er: „Es ist die Kombination von Tätigkeiten, die meinen Fähigkeiten 100%ig entsprechen, die Freude am Schaffen und dass meine Talente gebraucht werden!  Ich mache etwas für mich Sinnvolles und das wird anerkannt. Außerdem bin ich einfach gerne dort. Diese Freiwilligenarbeit ist derzeit zu einem unverzichtbaren Bestandteil meines Lebens geworden und macht mich glücklich“.

 

„Klosterbibliothek“ – Diorama und Foto: Robert Pražak

 

Soziales Engagement: Mentoring für Migranten

Unser Freund Mario erzählt mir: „Die Freiwilligenarbeit ist mir passiert, ich habe nicht danach gesucht. Aber sie kam genau zum richtigen Zeitpunkt, um neben Sport, singen und einer neuen Ausbildung auch noch etwas für andere zu tun. Das ist wie geschaffen für mich.“

Mario war ebenfalls in der Industrie im Management tätig und hat zusätzlich immer neue Aufgaben gesucht. So hatte er bereits Erfahrung mit dem Mentoring für Migranten. Nach der Logotherapie-Ausbildung am Frankl-Institut hat ihn eine Bekannte angesprochen, ob er sich bei einer Pfarrcaritas in der Beratung engagieren würde. Einmal pro Woche berät und unterstützt er Bedürftige, die sich in einer schwierigen Lebenssituation befinden. „Menschen in Not helfen zu können, erfüllt mich mit Sinn. Auch wenn diese Tätigkeit manchmal sehr fordernd sein kann, weil man sowohl mit schweren Schicksalen konfrontiert wird, als auch mit Leuten, die möglicherweise die Hilfsbereitschaft einfach nur ausnützen wollen. Das zu unterscheiden ist nicht immer einfach. Aber genau dadurch lerne ich ständig Neues dazu und gehe mit Dankbarkeit für mein eigenes Leben nach Hause.“

ES DARF KEIN FULL TIME JOB MEHR SEIN

Trotzdem finde ich, dass Freiwilligenarbeit in der Pension kein Full-Time-Job werden sollte. Es muss wirklich ausreichend Zeit bleiben, sich um den Körper zu kümmern, um Liebe und Beziehungen zu pflegen, für Spaß und ganz besonders auch um Zeit für sich selbst, Selbstreflexion und inneres Wachstum zu haben. Also für alle 5 Säulen für ein Strahlendes Alter!

Daher hat es mich wirklich gefreut, als ich im Freiwilligenbericht des Sozialministeriums gelesen habe: „Um das eigene Wohlbefinden zu steigern, würde es nichts nützen, sich in sehr hohem Ausmaß freiwillig zu engagieren, Die Steigerung der Gesundheit und des Wohlbefindens durch Freiwilligentätigkeit unterliegt Grenzen. Optimal ist ein Engagement mit maximal 15 Stunden pro Woche. Höheres oder intensiveres Engagement geht hingegen mit geringerem Wohlbefinden einher.

Wenn Ihr also eine neue, sinnstiftende Tätigkeit sucht, würde ich Euch empfehlen eine der Freiwilligenmessen, die in vielen Städten stattfinden, zu besuchen, oder Euch auf den verschiedenen Plattformen umzusehen. Die meisten Angebote dort sind allerdings für junge Leute und man muss schon einigermaßen selektiv suchen. Einige Beispiele für Seniorenarbeit, die mich begeistert haben, findet Ihr auch in meinem Post Neue Wege ins Alter Ich glaube aber, dass viele Tätigkeiten, die wirklich Sinn machen, in Deinem ganz persönlichen Umfeld zu finden sind - frag Dich einfach durch. Weil Mario so begeistert von seiner Arbeit erzählt, hat er schon zwei Freunde angesteckt, die ihre eigene sinnvolle Tätigkeit gefunden haben. Was immer Ihr macht, es muss Euren Werten, Fähigkeiten und Talenten entsprechen, denn nur das ist auf Dauer erfüllend.

Herzlichst
Helga

Ganz aktuell: die nächste Wiener Freiwilligenmesse findet vom 8. bis 9. Oktober 2022 im Wiener Rathaus statt.

Zu diesem Thema passt auch mein Post Neue Rollen, neue Aufgaben   über den Film Man lernt nie aus. Robert De Niro spielt einen Senior, der in einem Start-up Unternehmen ein Praktikum macht.

[i] Stern & Körber Stiftung 2012, Deutschland – Forsa Studie „Alter neu erfinden – Altern in Deutschland“ http://asset3.stern.de/media/pdf/Doppelseiten_Broschuereforsa19.04.2012.pdf

[ii] Neue forsa-Studie zum gesellschaftlichen Beitrag von Senioren https://initiative-herzklappe.de/forsa-umfrage-zum-gesellschaftlichen-engagement-von-senioren