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Sinn im Alter

Solange  „Anti-Aging und Forever Young“ angesagt sind, kann es schwierig sein, im Alter einen Sinn zu finden. Aber ich denke, wenn das Leben das Alter als Lebensphase eingerichtet hat, dann muss es auch einen Sinn haben! Und den gilt es zu finden.

Diesem Sinn will ich nachgehen, denn ich bin überzeugt, dass das Alter Erlebnisse und Erkenntnisse bringt, die man bisher noch nicht kannte und die auch nur im Alter erlebbar werden.

Deshalb freut es mich, dass ich euch heute über ein Gespräch mit Daniela Philipp [1] berichten kann, in dem wir genau diesen Fragen nachgehen. Daniela Philipp ist sinnzentrierte Unternehmens- und Lebens- und Sozial-Beraterin und Vorständin im Viktor Frankl Zentrum Wien [2].

Und, um es gleich vorwegzunehmen, das Alter ist eine einzige Sinn-Quelle!

Take away

  • Die Kunst des sinnvollen Lebens ist zu wissen, was wann dran ist. Und das ändert sich ständig.

  • Der Sinn liegt im jeweiligen Augenblick.

  • Alter ist ein negativ besetztes Wort: es sollte Vollendungsphase heißen.  

 

Sinn im Alter:
Im Gespräch mit Daniela Philipp

Sinnzentrierte Beraterin

 

VOLLENDUNG STATT ANTI-AGING

Liebe Daniela. auch wenn ich mich freue, dass ich mit Ende 60 körperlich so fit bin, ich finde den Hype um Anti-Aging und Forever Young nicht erstrebenswert. Denn ich habe das Gefühl, wenn man gegen das Alter kämpft, wird man schwer einen Sinn darin finden. Berauben wir uns da nicht wichtiger Erfahrungen?

Daniela: Oh ja, das Alter hat extrem vieles zu bieten, das einen mit Sinn erfüllt. An Stelle der schöpferischen Werte, die sich in der Leistungs-Fähigkeit ausdrücken, rücken eher die Erlebniswerte in der Begegnung mit der Welt und die Einstellungswerte in Bezug auf Unabänderliches in den Mittelpunkt. Daraus Sinn zu schöpfen geht bis zum letzten Tag und es sind andere Einsichten möglich, die sich in der Jugend noch nicht erschließen.

Alter ist ein schlechtes, negativ besetztes Wort. Für mich sollte es Vollendungsphase heißen! Ich sehe die Dynamik des Leben wie eine große Symphonie. Die Schönheit des Musikstücks zeichnet sich durch den Beginn, den Höhepunkt und vor allem den Schluss aus. Die letzten Takte sind entscheidend für den Gesamteindruck. Da legen sowohl Komponisten, als auch Musiker besondere Hingabe hinein. Auch wir dürfen diesen Schlussakkord spielen und das ist etwas anderes als zu sagen, jetzt bin ich halt alt und dann ist es einfach aus! 

Wieso wollen dann so viele an der Jugend festhalten und den dritten oder 4. Satz der Symphonie, sprich das Alter, nicht spielen?

Die großen Übergangsphasen im Leben machen den meisten Menschen Angst und daher wollen sie lieber die alten Gewohnheiten beibehalten, um in diesen (scheinbare) Geborgenheit und Sicherheit zu erfahren. Sie suchen nach Kontinuität. Also, z.B. Forever Young sein. Und natürlich leben wir in einer Kultur, die die Jugend mehr ehrt als das Alter.

Aber in der Logotherapie [3]gibt es die schöne Bezeichnung des „Sinn des Augenblicks“.  Sinn ist etwas, das immer wieder neu anklopft. In jeder Lebensphase und in jedem Moment. Wir müssen uns nur die entscheidenden Fragen stellen:

Wozu fordert mich das jetzt auf?
Was will das Leben jetzt von mir?
Was ist jetzt für mich am sinnvollsten zu tun?

Wenn du diese Fragen beantwortest,
ist es egal in welcher Lebensphase du gerade bist.
In der Jugend ist das Gebot der Stunde natürlich etwas anderes
als im Alter, wenn der Sinn der Vollendung ansteht.  

SINN BEDEUTET DAS BESTMÖGLICHE FÜR MICH UND ANDERE

Für viele ist der Pensionsantritt schwierig. Manche überfällt eine große Leere, andere eine Hyperaktivität. Nach der ersten Leere habe ich begonnen, mich intensiv mit dem Thema „Älter werden“ zu befassen. So ist dieser Blog überhaupt erst entstanden.

Sowohl Mangel als auch Fülle oder Hyperaktivität, beides kann zu einer SINN-LEERE führen. Manchmal ist es einfach nur wichtig, diese Leere auszuhalten, um daraus Neues zu schöpfen, wie du beschrieben hast. Aber es kann auch in der Fülle eine Sinn-Leere entstehen. Genug wovon wir leben können, heißt nicht unbedingt genug WOZU. Derzeit nehmen Depressionen in unserer Gesellschaft stark zu, obwohl objektiv gesehen von allem so viel da ist: Essen, Vergnügen, Information, Möglichkeiten. Und andererseits verwechseln viele Menschen ihren vollen Terminkalender mit Sinn, der aber bei all der Hektik oft unerfüllt bleibt.

Oft höre ich von Pensionisten stolz „ich weiß mir immer etwas zu tun.“ Aber nach deinen Ausführungen ist Sinn im Alter zu finden noch etwas anderes..

Ja, denn der Sinnbegriff der Logotherapie bedeutet das Bestmöglich für mich und andere!

Wir leben in einer Kultur der totalen Selbstoptimierung. Entscheidungen werden überwiegend aus einer ICH-Sicht getroffen und oft fehlt der Blick für´s Umfeld. Aber Sinn entfaltet sich nicht, wenn ich nur auf mich selbst schaue, sondern aus dem Bestmöglichen für mich UND andere. Also mein Beitrag für das persönliche Umfeld, für die Familie, Freunde und Kollegen ist entscheidend. Wenn man etwa in der Pension z.B. ein Studium macht, dann kann das einen Traum erfüllen, aber dieser kann entweder auf Kosten der Familie gehen, oder diese inspirieren. Daher steht immer wieder die Frage im Raum, wie kann ich das, was mir selbst Spaß macht so gestalten, dass es auch für die anderen gut ist.

DIE KUNST DES ALTERS IST DER GUTE LEBENSRÜCKBLICK

Im Alter kann manches wegfallen, was dem Leben früher Sinn gab: Aufgaben, Beruf, Hobbies oder auch Gesundheit. Darum drängt sich im (hohen) Alter die Sinnfrage gelegentlich verstärkt ins Bewusstsein. Manchmal auch als Sinnkrise.

Biologisch geht es mit uns über die Jahre bergab, wenn auch weniger schnell als früher, aber biographisch geht´s mit uns bergauf!

Im Alter kann man vielleicht das eine oder andere nicht mehr so gut, aber wenn wir auf die Schatzkiste eines Menschen schauen, all das Erlebte, dann ist diese voll. Die Kunst eines positiven Alters liegt daher darin, auch auf das Vergangene zu schauen. Wenn ich das nicht mache, sondern nur auf das noch Mögliche blicke, ist mein Glas mehr leer als voll. Und es kann sich Verzweiflung breit machen, wenn man sich bewusst wird, was man im Alter alles nicht mehr kann.  

Viktor Frankl hat dazu einen sehr guten Vergleich gebracht: Wenn ein Bauer nach der Ernte nach vorne schaut, sieht er ein Stoppelfeld. Wenn er allerdings zurückblickt, sieht er seine Ernte sicher in der Scheune liegen. So lange wir leben kommen neue Ernten dazu!

Vor einigen Monaten habe ich meine Memoiren über mein Berufsleben geschrieben. Das ist genau aus diesem Gefühl entstanden. Ich wollte mir bewusst machen, was ich schon alles erlebt habe und machen durfte. Mir vor Augen zu führen, was gelungen oder weniger gelungen ist, welche Menschen mich begleitet und welche Rolle sie für mich gespielt haben, wie meine Work-Life Balance ausgesehen hat und vieles mehr. Das war erfüllend und klärend gleichzeitig. (siehe auch Memoiren - mehr als Erinnerung)

Genau, entscheidend ist, wie man zurückschaut! Beim Lebensrückblick kommt es darauf an, worauf man den Blick richtet. Schaut man voll Wehmut zurück und führt sich permanent vor Augen, was man alles jetzt nicht mehr hat, dann richtet man den Blick auf das Stoppelfeld. Oder man schaut zurück und betrachtet die eingebrachte Ernte: Gutes und Schlechtes. In diesem Punkt geht man ohne Wertung heran. Und jetzt kommt der entscheidende Schritt: an dieser Stelle hast du die große Freiheit der persönlichen Einstellung dazu. Es geht darum, wie du heute dazu Stellung nimmst, nicht, wie du es damals erlebt hast! Es ist deine freie Entscheidung heute daraus ein Drama zu machen oder einen Entwicklungsroman, vielleicht sogar eine Komödie. Hier geht es alleine um Einstellungswerte.

Gut zurückzuschauen ist entscheidend für ein glückliches Leben. Selbst in der letzten Minuten meines Lebens habe ich den Freiraum, ob ich mit einem JA zu meinem Leben sterbe oder einem NEIN.

Sinn im Alter liegt auch im Erkennen der Vergangenheit und des Verewigten. Das ist der Reichtum gegenüber Jungen, die nur das Feld vor sich sehen. Unglücklich sind Menschen, die vergleichen, mit anderen oder mit sich selbst in früheren Jahren. In jedem Moment, wo ich mich vergleiche, wird es schwierig.

DIE 3 WERTEkategorien, die SINN AUSMACHEN:

  • SCHÖPFERISCHE WERTE  - Leistungsfähigkeit

  • ERLEBNISWERTE  - Liebesfähigkeit &. Beziehung zur Welt

  • EINSTELLUNGSWERTE - Freiheit der Entscheidung, Leidensfähigkeit

Du hast die drei Wertekategorien von Viktor Frankl schon einige Male erwähnt, die es dem Menschen ermöglichen Sinn zu verwirklichen: Können wir in Bezug auf das Alter noch näher darauf eingehen.

Die schöpferischen Werte finden wir in großem Ausmaß natürlich in der Erwachsenenphase. privat und im Beruf. Und das passt auch gut zu unseren gesellschaftlichen Werten. Im Alter werden sie weniger wichtig aber natürlich gibt es auch da noch reichlich Gelegenheit dazu, und oft in ganz anderer Form als bisher. (siehe Post Etwas machen, das Sinn macht)

Sinn entsteht aber auch durch die Erlebniswerte! Da geht es nicht nur um Urlaubs- und Reiseeindrücke, sondern auch, wenn wir passiv sind und uns etwas hingeben. Der Musik z.B., der Natur oder man hört nur ruhig zu. Dieser Sinn-Aspekt wird im Alter interessanter. Vielleicht kann man jetzt etwas mehr genießen, als früher. Erlebniswerte brauchen Achtsamkeit, Zeit und Hingabe.

Der wohl wichtigste Wert im Alter ist der Einstellungswert – also die Freiheit der Entscheidung. Es gibt Situationen, die wir nicht ändern können, Krankheit etwa oder Verluste. In solchen Fällen ist es wichtig, unsere innere Einstellung und unsere Haltung zum Ereignis, ganz bewusst zu wählen. Man muss nicht am Leid verzweifeln. Durch die Einstellung kann man selbst eine Tragödie in einen persönlichen Triumph zu verwandeln.

FRAG WOZU UND NICHT WARUM

Wenn uns etwas Schlimmes passiert fallen wir so häufig in die WARUM-Frage. Warum jetzt? Warum passiert das mir?

Ja, aber die Warum-Frage bringt gar nichts! Ganz im Gegenteil, sie führt uns in den Wahnsinn oder ins Bodenlose. Erst, wenn man das losgelassen hat und sich der Frage WOZU zuwendet, kann Tolles passieren. Es ist entscheidend, etwas Sinnvolles auch aus diesen Situationen herauszuholen und das geht auf irgendeine Weise immer.

An dieser Stelle kann man sich z.B. fragen: Was für ein Patient möchte ich sein: einer der jammert und leidet, einer der erträgt (und alleine das auszuhalten kann schon Sinn an sich ergeben) oder einer der selbst in dieser Situation noch das Bestmögliche für sich und das Umfeld herausholt.

Meiner Schwiegermutter konnte mit 97 ihre Wohnung nicht mehr verlassen und war auf die Pflege durch ihre Helferinnen angewiesen, die aus vielen Ländern kamen. Daher hat sie begonnen, einzelne Phrasen in deren Landessprache zu lernen und sich mit ihren Herkunftsländern zu befassen. Das war nicht nur für sie selbst eine spannende Aufgabe, sie hat ihren Pflegerinnen damit auch Anerkennung und Respekt gegeben und sich die Welt ins Krankenzimmer geholt.

Ein wunderbares Beispiel! Selbst in diesem hohem Alter hat sie der Situation Sinn gegeben und das Bestmögliche für sich und die anderen gemacht. Altern ist so gesehen eine geistige Leistung, die ein hohes Maß an Einfallsreichtum braucht.

JA ZUM ALTER, JA ZUM SINN DARIN

Ich bin überzeugt, wer Ja sagt zu seinem Alter, wird eher auch in fortgeschrittenen Jahren Sinn-Erfahrungen machen. Wenn du weniger nach dem „Sinn des Lebens“ oder Sinn des Alters fragst, sondern vielmehr nach dem „SINN IM LEBEN“, oder dem Sinn im Alter, dann kannst du diesen in jeder Phase, in jeder Situation neu finden. Wenn man den Sinn des Augenblicks erfasst und sich dem jedes Mal stellt, dann entstehen viele Episoden, die sich wie eine Perlenkette aneinanderreihen. Daraus ergibt sich schließlich meines Erachtens auch der Sinn des Lebens. Es ist wie in einem guten Film, die letzten Szenen bringen oft erst die Klarheit und bringen alles zusammen.

Im Alter geht es um Vollendung! Wie bei einem guten Film!

Liebe Daniela, ich danke Dir für unser Gespräch, Deine Anregungen und vor allem, dass wir uns auf viel Sinn im Alter freuen können.

Herzlichst
Helga

Bücher von Daniela Philipp

  • SinnPulse 01 – Sinn und Entscheidung – Entscheidende Impulse für eine sinnvolle Wahl bei kleinen und großen Lebensfragen; live relations 2020

  • SinnPulse 02 – Sinn und Krise – Ermutigende Impulse für eine gelingende Zukunft trotz Krise; Live relations 202

Mehr zur Säule SINN in meinem Konzept für strahlend Alt werden, findet ihr in meinem Post 5 Säulen für ein strahlendes Alter

[1] Daniela Philipp: Training.Coaching.Consulting, https://www.coaching-consulting.at/ 

[2] Viktor Frankl Zentrum Wien https://www.franklzentrum.org/zentrum/programm.html

[i] Logotherapie & Existenzanalyse, ist die sinnzentrierte Psychotherapierichtung nach Viktor Frankl. Sie leitet sich von den 3 Grundgedanken ab: Freiheit des Willens, Wille zum Sinn und Sinn im Leben.

Etwas machen, das Sinn macht.

Wer will das nicht? Etwas Sinnvolles machen, ist eines unserer tiefsten menschlichen Bedürfnisse. Optimaler Weise findet man das bereits im Job. Aber ehrlich, nicht immer erschließt sich der Sinn im Beruf und nicht alle Talente sind gefragt oder rechnen sich. Jetzt ist die Zeit dafür! In der Pension kann und soll man wählerisch sein und sich aussuchen, mit welchen Tätigkeiten man die eigenen Fähigkeiten zum Ausdruck bringen will. Dass wir es aber auch als sinnvoll bewerten, erfordert noch einen weiteren Aspekt, nämlich, dass es ein Beitrag zum Wohl anderer ist.

Daher finde ich es wichtig, nicht irgendeine Tätigkeit in der Pension zu machen oder sich einfach nur eine Beschäftigung zu suchen. Es muss schon etwas sein, das für einen selbst UND für andere einen Wert hat. Das kann organisiert oder informell sein, dem eigenen, ehemaligen Job ähnlich oder ganz etwas anderes sein, entscheidend ist nur wie man diese Tätigkeit selbst bewertet. In diesem Post möchte ich dem Sinnvollen nachgehen und Euch ein paar Beispiele beschreiben.

Take away

  • Wer sich sinnvoll engagiert lebt gesünder!

  • Sinnvoll erachten wir etwas, das für uns selbst und andere einen Wert hat.

  • Auch eine sinnvolle Tätigkeit in der Pension soll kein Full-Time-Job mehr sein.

  • Mindestens die Hälfte aller Pensionisten von 60-80 leisten mit ihrem freiwilligen Engagement einen unverzichtbaren Beitrag für unsere Gesellschaft.

 

Foto: Laurenz Vavrovsky

 

FREIWILLIGENARBEIT VON PENSIONISTEN IST EINE GESELLSCHAFTLICH RELEVANTE GRÖSSE

Habt Ihr gewusst, dass fast 57% aller Pensionisten zwischen 60 und 69 und 43% der 70 bis 79-jährigen im Rahmen von Freiwilligenarbeit tätig sind. Diese Zahlen aus 2015 (werden jetzt sie sicher noch höher sein!) habe ich im Freiwilligenbericht 2019 des österreichischen Sozialministeriums gefunden. In Summe sind das in Österreich fast 1 Million Menschen zwischen 60 und 80, die regelmäßig einer gesellschaftlich relevanten Tätigkeit außerhalb des eigenen Haushalts nachgehen! Und dazu kommen noch die informellen Engagements und Nachbarschaftshilfe.

Die Freiwilligenarbeit ist in den letzten 10 Jahren regelrecht „explodiert“. In Deutschland wollten sich 2012 gerade einmal 27% der Senioren engagieren[i], heute sind es 77% [ii]! Die Haupttätigkeitsfelder sind die Betreuung anderer älterer Menschen, die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sowie die Kommunalpolitik. Im Bereich Pflege und Soziales engagieren sich 9% und für Kunst und Kultur 8%. 

 

Neue forsa-Studie zum gesellschaftlichen Beitrag von Senioren

 

Also, obwohl ich mich schon länger mit den aktiven Senioren befasse, hat mich diese Statistik tief beeindruckt und zeigt, dass wir Senioren nach wie vor einen wesentlichen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten!

WARUM IST ES WICHTIG ETWAS SINNVOLLES ZU MACHEN?

Im letzten Post Neues erleben, das Spaß macht ist es mir darum gegangen, dass wir uns im Alter ausreichend Zeit und Gelegenheit geben Spaß zu haben und Neues erleben. Beides ist gut für unsere Vitalität und Gesundheit. Aber nur Spaß haben ist nicht genug, denn es ist auf Dauer nicht befriedigend. Speziell für die psychische Gesundheit ist Sinnerleben essentiell. Das gilt in allen Lebensabschnitten, ganz besonders auch in der Pension, wenn Erwerbstätigkeit und Familienorganisation weitgehend vorbei sind.

Wenn es um Sinn geht, stehen nicht Ziele und Erfolg im Zentrum, sondern Werte!

Ich bin diesem Sinnempfinden nachgegangen und es decken sich die Definitionen:

Wir sehen etwas als sinnvoll an,
wenn es für uns selbst
und auch für andere einen Wert hat.

Das ist auch der Unterschied zu Spaß und Hobby, die man beide auch aus Begeisterung und mit Freude macht, aber primär für sich selber. oder andererseits, wenn man etwas NUR für andere macht. Viele Studien zeigen, dass freiwilliges Engagement von Senioren neben dem Erfüllen eigener Werte insbesondere für das Wohlfühlen, die Lebenszufriedenheit, die sozialen Kontakte, aber auch für bessere physische und mentale Gesundheit sorgen. Also alles in allem, ein Lebenselixier!
Hier sind die 4 wichtigsten Punkte, die beschreiben was eine sinnerfüllte Tätigkeit ausmacht:

  • Entspricht sie meinen Werten (z.B. soziales Engagement, Kultur, Kunst, Liebe, Hilfsbereitschaft, Weitergeben, ... )?

  • Ermöglicht sie mir Selbstverwirklichung & Selbstentfaltung – Kann ich meine Talente und Fähigkeiten damit ausleben?

  • Bedeutsamkeit – Trägt diese Tätigkeit zum Wohl anderer Menschen oder der Gesellschaft etwas bei und bekomme ich das auch zurückgespiegelt?

  • Fühle ich mich zugehörig? Ebenfalls ein wichtiger Punkt! Wir nehmen nachweislich eine Tätigkeit dann noch mehr als sinnvoll wahr, wenn wir sie im Rahmen einer Gemeinschaft mit Fürsorge und Harmonie erleben.

ES GIBT UNENDLICH VIELE MÖGLICHKEITEN

Ich habe mit vielen gleichaltrigen Bekannten über ihr Engagement gesprochen und war fasziniert von der Fülle unterschiedlicher Tätigkeiten, über die sie mir berichtet haben. Sehr viele betreuen ihre Enkel regelmäßig ein- oder mehrmals in der Woche, andere die Eltern und genau das ist es, was Familie so wertvoll macht, finde ich. Andere engagieren sich mit Kindern, sei es beim Lesen lernen in der Schule oder im Sportverein. Ein Freund und Forstwirt bringt Schulkindern den Wald näher. Ein anderer Freund, früher Arzt, war immer schon begeisterter Handwerker. Nun ist er mit Leib und Seele die graue handwerkliche Eminenz in seiner ganzen Siedlung, zur Freude aller Nachbarn, und er ist glücklich über jedes Projekt. Alle diese Sinn-Tätigkeiten beinhalten viel Engagement, Verantwortung und auch Verpflichtung.

Sogenannte Freiwilligenarbeit findet immer in einem organisatorischen Rahmen statt, unentgeltlich und zum Zweck der Förderung der Allgemeinheit, wie es offiziell heißt. Wie unterschiedlich Freiwilligenarbeit sein kann, möchte ich Euch anhand der Tätigkeiten von Robert, meinem Mann, und unserem Freund Mario zeigen.

Freiwilligenarbeit im Museum : „Ich bin in einer neuen Welt gelandet!“

Robert hat viele Jahre in einem internationalen Konzern gearbeitet und war danach selbständig. Bereits vor Beginn seiner Pension tauchte der Wunsch auf „Ich möchte etwas mit meinen Händen erschaffen, kreativ sein und gleichzeitig etwas für die Gesellschaft beitragen“. Er hat sich intensiv auf die Suche nach so einer Tätigkeit gemacht und sie auf der Freiwilligenmesse beim Museumsmanagment NÖ gefunden. Im Rahmen der Ausbildung zum Museumskustos ist er auf die Zinnfigurenwelt Katzelsdorf, eines der größten Museen dieser Art weltweit, gestoßen, die freiwillige Mitarbeiter gesucht hat. Mit Zinnfiguren hatte er sich bis dahin nie beschäftigt, aber die Tätigkeit an sich war perfekt für ihn. Heute recherchiert er historische Hintergründe, gestaltet, baut und renoviert Dioramen (das sind Schaubilder, ähnlich Mini-Bühnen, die die Zinnfiguren in Szene setzen), kuratiert Ausstellungen, erstellte Unterlagen für das Museumsgütesiegel u.v.m. Vom Handwerklichen (seiner Leidenschaft) bis zum Organisatorischen (seinen beruflichen Erfahrungen) kann er alles verbinden. Und auch der gesellschaftliche Aspekt ist erfüllt, denn Zinnfiguren sind heute kulturhistorisches Gut.

Als ich ihn frage, was das wichtigste für ihn bei dieser Tätigkeit ist meint er: „Es ist die Kombination von Tätigkeiten, die meinen Fähigkeiten 100%ig entsprechen, die Freude am Schaffen und dass meine Talente gebraucht werden!  Ich mache etwas für mich Sinnvolles und das wird anerkannt. Außerdem bin ich einfach gerne dort. Diese Freiwilligenarbeit ist derzeit zu einem unverzichtbaren Bestandteil meines Lebens geworden und macht mich glücklich“.

 

„Klosterbibliothek“ – Diorama und Foto: Robert Pražak

 

Soziales Engagement: Mentoring für Migranten

Unser Freund Mario erzählt mir: „Die Freiwilligenarbeit ist mir passiert, ich habe nicht danach gesucht. Aber sie kam genau zum richtigen Zeitpunkt, um neben Sport, singen und einer neuen Ausbildung auch noch etwas für andere zu tun. Das ist wie geschaffen für mich.“

Mario war ebenfalls in der Industrie im Management tätig und hat zusätzlich immer neue Aufgaben gesucht. So hatte er bereits Erfahrung mit dem Mentoring für Migranten. Nach der Logotherapie-Ausbildung am Frankl-Institut hat ihn eine Bekannte angesprochen, ob er sich bei einer Pfarrcaritas in der Beratung engagieren würde. Einmal pro Woche berät und unterstützt er Bedürftige, die sich in einer schwierigen Lebenssituation befinden. „Menschen in Not helfen zu können, erfüllt mich mit Sinn. Auch wenn diese Tätigkeit manchmal sehr fordernd sein kann, weil man sowohl mit schweren Schicksalen konfrontiert wird, als auch mit Leuten, die möglicherweise die Hilfsbereitschaft einfach nur ausnützen wollen. Das zu unterscheiden ist nicht immer einfach. Aber genau dadurch lerne ich ständig Neues dazu und gehe mit Dankbarkeit für mein eigenes Leben nach Hause.“

ES DARF KEIN FULL TIME JOB MEHR SEIN

Trotzdem finde ich, dass Freiwilligenarbeit in der Pension kein Full-Time-Job werden sollte. Es muss wirklich ausreichend Zeit bleiben, sich um den Körper zu kümmern, um Liebe und Beziehungen zu pflegen, für Spaß und ganz besonders auch um Zeit für sich selbst, Selbstreflexion und inneres Wachstum zu haben. Also für alle 5 Säulen für ein Strahlendes Alter!

Daher hat es mich wirklich gefreut, als ich im Freiwilligenbericht des Sozialministeriums gelesen habe: „Um das eigene Wohlbefinden zu steigern, würde es nichts nützen, sich in sehr hohem Ausmaß freiwillig zu engagieren, Die Steigerung der Gesundheit und des Wohlbefindens durch Freiwilligentätigkeit unterliegt Grenzen. Optimal ist ein Engagement mit maximal 15 Stunden pro Woche. Höheres oder intensiveres Engagement geht hingegen mit geringerem Wohlbefinden einher.

Wenn Ihr also eine neue, sinnstiftende Tätigkeit sucht, würde ich Euch empfehlen eine der Freiwilligenmessen, die in vielen Städten stattfinden, zu besuchen, oder Euch auf den verschiedenen Plattformen umzusehen. Die meisten Angebote dort sind allerdings für junge Leute und man muss schon einigermaßen selektiv suchen. Einige Beispiele für Seniorenarbeit, die mich begeistert haben, findet Ihr auch in meinem Post Neue Wege ins Alter Ich glaube aber, dass viele Tätigkeiten, die wirklich Sinn machen, in Deinem ganz persönlichen Umfeld zu finden sind - frag Dich einfach durch. Weil Mario so begeistert von seiner Arbeit erzählt, hat er schon zwei Freunde angesteckt, die ihre eigene sinnvolle Tätigkeit gefunden haben. Was immer Ihr macht, es muss Euren Werten, Fähigkeiten und Talenten entsprechen, denn nur das ist auf Dauer erfüllend.

Herzlichst
Helga

Ganz aktuell: die nächste Wiener Freiwilligenmesse findet vom 8. bis 9. Oktober 2022 im Wiener Rathaus statt.

Zu diesem Thema passt auch mein Post Neue Rollen, neue Aufgaben   über den Film Man lernt nie aus. Robert De Niro spielt einen Senior, der in einem Start-up Unternehmen ein Praktikum macht.

[i] Stern & Körber Stiftung 2012, Deutschland – Forsa Studie „Alter neu erfinden – Altern in Deutschland“ http://asset3.stern.de/media/pdf/Doppelseiten_Broschuereforsa19.04.2012.pdf

[ii] Neue forsa-Studie zum gesellschaftlichen Beitrag von Senioren https://initiative-herzklappe.de/forsa-umfrage-zum-gesellschaftlichen-engagement-von-senioren