Ziele

Nach wie vor: Ziele & Freunde beflügeln!

Als ich in Pension ging, war ich erst mal froh, das ganze Ziele-Challenges & Performance–Gehabe los zu sein. Aber jetzt mit 70 hat es mich wieder eingeholt, auf eine ganz andere Art und Weise. Und ja, Ziele und Herausforderungen tun nach wie vor richtig gut.

Wie wichtig Freundschaften und Neues für ein strahlendes Alter sind, habe ich schon ausführlich beschrieben. Wie sehr mich die Kombination von beidem, plus einem für mich etwas herausfordernden Ziel, beflügelt hat, möchte ich euch heute berichten. Denn genau das ist die Kombi, die uns strahlen lässt.

Als ein Studienfreund meines Mannes im Februar ankündigte, dass er heuer für alle Semesterkollegen eine Radtour über den Alpe-Adria-Weg organisieren möchte – von Tarvis bis Grado, 160 Kilometer in drei Etappen – war meine erste Reaktion: Respekt. Wir sind inzwischen alle zwischen 70 und 75, unsere Räder hatten wir teilweise jahrelang wenig beachtet und gleich die erste Etappe sollte 70 Kilometer lang sein. Ohne Gepäckservice! Ein kleines Abenteuer also, das echt außerhalb unserer Komfortzone lag.

Aber wir sagten zu! Und wussten gleichzeitig, das heißt vor allem Training - für die Beine- und für den Po! Und genau das entpuppte sich als „Verjüngungspaket“.

Takeaways

  • Es ist das Commitment zu einem Ziel jenseits der Komfortzone, das lebendig macht – auch, oder gerade im Alter.

  • Eine Binsenweisheit hat sich wieder einmal bewahrheitet: Gemeinsam geht´s leichter!

  • Die gegenseitige Achtsamkeit und Rücksichtnahme haben mich sehr berührt.

  • Biker oder nicht - jeder kann auf seine Weise dabei sein – unabhängig von den körperlichen Möglichkeiten.

  • Packen im Minimal-Modus: 6 Tage, von Bergregen bis zur Meeressonne, alles in zwei Seitentaschen – kaum zu glauben, aber es geht und mehr braucht man wirklich nicht!

 

Foto: Robert Prazak - und das war unser ganzes Gepäck!

 

DIE GEMEINSAME RADTOUR ÜBER DEN ALPE-ADRIA-WEG WAR MEHR ALS NUR 3 TAGE SPORT

Die Studienfreunde meines Mannes – Studienjahrgang 1971! -  haben den Kontakt nie abreißen lassen und treffen sich seit über 50 Jahren (fast) jedes Jahr. Allein das ist einzigartig und beachtlich! Inzwischen sind auch die Partnerinnen fixer Bestandteil der Gruppe. Heuer war ein Kollege aus Kärnten mit der Planung dran. Schon im Februar kündigte er an:  👉 „Heuer fahren wir gemeinsam die Alpe-Adria-Radtour nach Grado - 160 Kilometer. Drei Etappen.“ Ich war begeistert und hatte gleichzeitig aber auch etliche Bedenken, denn wir waren - fahrradmäßig - in den letzten Jahren sehr nachlässig.

Das Ziel kam näher – und wir fanden immer wieder Ausreden. Doch irgendwann war klar: Entweder wir starten jetzt wirklich mit unserem Trainingsprogramm oder wir müssen absagen. Das war definitiv keine Option, denn wir wollten wirklich dabei sein. Also blieb nur: Aufsatteln!

Erste Frage: Nehmen wir unsere normalen Räder – unsere „Bio-Bikes“ 😉 - oder steigen wir doch auf E-Bikes um? 70 Kilometer - diese Distanz sind wir noch nie mit unseren Rädern am Stück gefahren. Auch die weiteren Etappen gehen weit über unseren aktuellen Radius „in die City und zurück“ hinaus.

Im Juli starteten wir dann eine richtige „Bike-Renovierungs-Offensive“. Ein Freund nahm sich liebevoll unserer Räder an, zerlegte, reinigte, bog zurecht, stellte Gänge und Bremsen ein und am Ende hatten wir mit „runderneuerten“ Rädern ein sicheres Fahrgefühl. Dann hieß es: fahren, fahren, fahren. Erst 10 Kilometer, dann 20, 30, 40 – mindestens zweimal die Woche. Mit jeder Runde stiegen nicht nur unsere Fitness, sondern auch unsere Freude, Kondition, Stolz und unser Selbstvertrauen.

Vor der Abreise kam die nächste Herausforderung: das Packen. Sechs Tage, für alle Wettersituationen – von knapp über 10 Grad und Regen in den Bergen bis 30 Grad und Sonne am Meer – alles musste in zwei kleinen Seitentaschen Platz finden. Zugegeben, es war eine Tüftelei, aber natürlich ging es.

Dann war es endlich so weit. Mit dem Rad zum Hauptbahnhof, mit dem Zug nach Tarvis, wo wir die anderen trafen. 13 Radler, alle zwischen 70 und 75 – aber im Herzen jung, aufgeregt und voller Vorfreude. Und ja, auch andere hatten schon vorher Respekt vor den Etappen, aber genau das machte die gemeinsame Stimmung noch lebendiger. Und es hat sich eine weitere Binsenweisheit bestätigt: „Nichts ist so schlimm, wie die Angst davor.“

Die Überraschung: Die ersten 70 Kilometer waren überhaupt kein Problem, denn es ging auf der alten Bahntrasse stetig leicht bergab und wir rollten zügig dahin. Die zweite und kürzeste Etappe durch das friaulische Hügelland war dagegen viel fordernder. Aber schließlich erreichten wir Grado - glücklich, zufrieden, fit und ohne Muskelkater oder Schmerzen.

Besonders schön fand ich, dass auch jene Studienfreunde, die aus gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht mit uns radeln konnten oder wollten, trotzdem dabei waren. Sie reisten mit Auto oder Motorrad, kamen zu den Treffpunkten und waren so auch Teil des Abenteuers.

ES IST DAS COMMITMENT UND DAS GEMEINSAME, DAS UNS BEFLÜGELT

Viele Senioren fahren Rad – viele machen auch den Alpe-Adria-Weg – und man könnten meinen, das ist nichts Besonderes. Aber für uns war es das schon – denn auch wir hatten uns das oft überlegt, aber dann doch nie gemacht – bis jetzt!

👉 Was mir dieses Erlebnis vor allem gezeigt hat: Nach wie vor sind es die Ziele, die wir uns außerhalb der Komfortzone setzen und das Commitment dazu, die uns anspornen. Und die Menschen, die uns auf diesem Weg begleiten und das mit uns teilen. Ohne diese würden unsere Räder immer noch vernachlässigt im Radkeller stehen.

Ziele im Berufsleben sind alltäglich und nicht wegzudenken, aber meistens dienten sie einem anderen und wurden einem von außen auferlegt. Aber ganz ohne Ziele wird das Leben zu einem Einheitsbrei. Es sind also tatsächlich diese persönlich herausfordernden Ziele, die uns beleben. Immer noch!

Noch etwas: Mit 70Plus tritt keiner mehr taufrisch an. Der Körper braucht definitiv mehr Zuwendung und verlangt Respekt. Viele haben kleinere oder größere Beschwerden, manche bereits vorbei, manche aktuell: ein Herzinfarkt im Vorjahr, ein Hexenschuss kurz vor der Reise, gesundheitliche Einschränkungen, zu viele Kilos …. all das ist zwar Fact, aber mit der notwendigen Sorgfalt kein Showstopper. Im Gegenteil, es stärkte die Art, wie wir miteinander umgingen - die Fürsorge, das aufeinander achten, die Zuwendung, die Disziplin in der Gruppe, etwa das Zusammenwarten (E-Biker auf Bio-Biker). All das stand im Vordergrund, nicht (nur) die geleisteten Kilometer und schon gar nicht die Geschwindigkeit. Jeder konnte mitmachen so wie es ihm möglich war: als Biker, E-Biker, im Auto oder am Motorrad. Das hat den Spirit ausgemacht.

WAS ICH MITNEHME

👉 Ziele im Job sind oft Pflichtprogramm. Ziele im Alter? Reine Kür. Sie dürfen auch mal verrückt, unvernünftig und unbedingt außerhalb der Komfortzone sein. Und genau deshalb fühlen sie sich so gut an - mit mehr Tiefe und Dankbarkeit.

Herzlichst
Helga

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